Herausgegeben von Dr. Demian Berger und MA Melissa Vogt (Universität Zürich)
Im Vormärz wurde heftig gestritten, gerade im literarischen Modus. Dieser trivial anmutende Befund kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein systematischer, theoriegeleiteter Zugang zu den unterschiedlichen, literarischen und paraliterarischen Streitmodi im Vormärz noch immer aussteht. Diesem Mangel möchte das FVF-Jahrbuch 2025 abhelfen, indem es, in Korrespondenz zum laufenden, von den Herausgebenden bearbeiteten SNF-Projekt Polemik und literarisch-politische Öffentlichkeit 1815–1850 (Universität Zürich), Beiträge und Fallstudien zu Polemiken, Kontroversen, Disputen sowie Zensurpraktiken in der Literatur und (literarischen) Publizistik im besagten Zeitraum versammelt und historisch-begrifflich einzuordnen versucht. Dabei ist der Plural ‚Streitkulturen‘ insofern leitend, als die Variabilität der Streitformen in ihrer öffentlichkeitsbildenden und -zersetzenden Kraft sowie in ihrer epistemischen und ästhetischen Produktivität im Mittelpunkt steht. Entsprechend unterschiedlich können die Zugänge sein: Zielt Polemik in der elementaren Form auf die Schwächung bzw. ‚Vernichtung‘ des polemischen Objekts (Individuum oder Gruppe) und auf die Differenzierung des Publikums in pro und contra ab, so kann sie je nach Handlungszusammenhang in ‚dialogische‘ Streitformate wie die Kontroverse überführt werden oder umgekehrt diskursive Eskalationsdynamiken in Gang setzen. Solche literarischen oder publizistischen Kommunikationslogiken gilt es exemplarisch zu beschreiben. Dabei können etwa Prozesse polemisch bedingter Gattungshybridisierung in den Blick genommen werden (manifest etwa in den Mischformaten der literarisch-sozialkritischen Reportage), Tendenzen ästhetischer Sublimierung von Polemik in der politischen Lyrik oder der polemisch induzierten Auflösung von Kunstautonomie in der Schmähschrift. Besondere Aufmerksamkeit gebührt den literarischen Ermächtigungsstrategien weiblicher Akteure, dem emanzipatorischen Potential literarisierter Polemik im frühfeministischen Kontext sowie der Bildung progressiver Gegen-Öffentlichkeiten unter eminent polemischen Vorzeichen. Schließlich kann auch die Zensur unter dem Signum von Polemik begriffen werden, nämlich als diskursive Ausschlusspraxis mit institutionellem oder juristischem Rückhalt, eine Praxis, die paradox öffentlichkeitsbildend wirkt und entsprechende polemische Gegenreaktionen und ‚wachsame‘ Rezeptionshaltungen (Vigilanz) evoziert.
Beitragsangebote sind bitte zu senden an:
demian.berger@ds.uzh.ch und melissasabrina.vogt@ds.uzh.ch
Einsendeschluss für das Exposé (max. 1 Seite): 31. März 2025.
Die fertigen Beiträge (max. 40.000 Zeichen, inkl. Leerzeichen) müssen den Herausgebenden bis zum 31. Dezember 2025 vorliegen.