Das Forum Junge Vormärz Forschung ist eine Plattform für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die sich mit dem Vormärz und Themen in dessen Umfeld beschäftigen. Auf dieser Website sind deswegen Namen und Informationen zu aktuellen Forschungsprojekten und -interessen versammelt. Des Weiteren informiert das Forum Vormärz Forschung auf dieser Seite über künftige Aktivitäten des Forums Junge Vormärz Forschung.
Das Forum Junge Vormärz Forschung ist gleichfalls Titel der internationalen Studientagungen, welche das Forum Vormärz Forschung e.V. in Kooperation mit der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal regelmäßig ausrichtet. Junge Forscherinnen und Forscher stellen dort neue Arbeiten zum Vormärz vor.
14. Studientagung 2024
Vortragende des 14. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2024
(v.l.n.r.): Dr. Bernd Füllner (BUW), Dr. Demian Berger (Univ. Zürich), Walter Schilling, MA (HU Berlin), Lisa Niederwimmer (Univ. Wien), Dr. Kristina Mateescu (LMU München), Marina Beckmann, MA (BUW), Vincent Dold, MA (HU Berlin).
TeilnehmerInnen des 14. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2024
(v.l.n.r.): Birgit Bublies-Godau, Sophia Viktoria Krebs, Anne-Rose Meyer, Demian Berger, Walter Schilling, Bernd Füllner, Lisa Niederwimmer, Michael Ansel, Kristina Mateescu, Katharina Grabbe, Detlev Kopp, Marina Beckmann, Vincent Dold, Olaf Briese, Johanna Grad, Lorina Losch.
Marina Beckmann, M.A. (Bergische Universität Wuppertal)
Studierte bis 2024 an der Bergischen Universität Wuppertal in den Fächern Germanistik, Mathematik und Anglistik sowie Bildungswissenschaften und schloss mit dem Master of Education Grundschule ab.
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Vortragsthema: Sozialpolitische Lyrik von Louise Aston
Louise Aston wird in der Vormärzforschung vornehmlich für ihr feministisches Engagement hervorgehoben, ihre literarischen Werke finden noch immer wenig Beachtung. Am ehesten werden ihre Romane thematisiert und dabei durchaus stark bezüglich ihrer Qualität kritisiert. Ihre Gedichtbände, die insgesamt achtundvierzig Gedichte umfassen, werden dagegen äußerst selten wirklich intensiv betrachtet, insbesondere der zweite Gedichtband wird häufig vernachlässigt. Sowohl Astons Romane als auch ihre Lyrik werden gerne autobiografisch gelesen, so werden z.B. exemplarisch ganze Gedichte oder einzelne Verse verwendet, um ihre sozialpolitischen Ansichten zu belegen. Wirklich ausführliche Analysen ihrer Lyrik gibt es jedoch kaum. Im Vortrag sollen daher diese Forschungslücken dargestellt werden, indem der aktuelle Stand der Forschung diskutiert wird, Besonderheiten in Astons lyrischem Stil herausgearbeitet werden und die Komplexität ihrer Gedichte bezüglich Form und Inhalt aufgezeigt wird.
Dr. Demian Berger (Universität Zürich)
Studierte 2005 bis 2012 Philosophie, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich und HU Berlin. Im Rahmen eines SNF-Projekts promovierte er 2017 an der UZH mit einer Arbeit zu Walter Benjamin und Gustav Landauer. Danach war er an der ETH Zürich und Uni Luzern als Oberassistent für Kulturwissenschaften tätig und vertiefte seine Moderne-Studien. Gegenwärtig arbeitet er als Projektleiter und Lehrbeauftragter an der UZH und habilitiert sich mit einer Arbeit zu Polemik in der Aufklärungsepoche.
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Vortragsthema: Vorstellung des SNF-Projekts „Polemik und literarisch-politische Öffentlichkeit 1815-1850“.
Die Transformation der literarischen in eine politische Öffentlichkeit und die Vielfalt der literarischen Positionen zwischen 1815 und 1850 artikuliert sich im Zeichen sich intensivierender polemischer Praktiken, die ins literarische Feld einwandern. Polemische Verfahren affizieren die ästhetischen Normen, dynamisieren die Öffentlichkeitsstruktur der Institution Literatur, erschüttern die prekäre Autonomie des Literatursystems und bringen neue Formen ästhetischer Operativität hervor. Sie setzen die Gattungsgrenzen in Bewegung, führen zu Gattungsauflösung, Hybridisierung und oft kurzlebiger Gattungsbegründung oder auch zur reaktiven Bekräftigung traditioneller Gattungen. Sie treiben die Fragmentierung der literarischen Öffentlichkeit und die Entstehung subversiver, von Zensur bedrohter Gegenöffentlichkeiten voran, darunter prominent die sich literarisch-publizistisch artikulierende und in der Salonkultur praktisch formierende Frauenemanzipation und die jüdische Emanzipationsbewegung. Am Beispiel der Junghegelianer, der deutsch-französischen Frühsozialisten oder der frauenemanzipatorischen Diskurse soll schließlich die theoretisch-politische Produktivität von Polemik aufgewiesen werden.
Vincent Dold, M. A. (Humboldt Universität Berlin)
Ist Doktorand am Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, Humboldt-Universität zu Berlin. Er promoviert zum Thema „Die Revolutionärin“. Sozialistische Geschlechterdiskurse zwischen Revolutionserfahrung und Revolutionserwartung, 1848-1933 und ist Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Studium der Geschichtswissenschaften und Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Université Aix-Marseille.SA.
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Vortragsthema: Das Haus in der Revolution 1848/49. Ein vergessener Aktions- und Erfahrungsort von Frauen zwischen Privatheit und Politik
Das Haus, die Wohnung und das Zimmer wurden bislang von der Revolutionsforschung zu 1848/49 nicht als eigenständige Orte der Revolution wahrgenommen. Damit wurden Erfahrungs- und Handlungsorte übersehen, durch die nicht zuletzt Frauen elementar mit der Revolution verbunden waren. Anhand der Abhängigkeit der Straßen- und Barrikadenkämpfe von den häuslichen Räumen einerseits, der weiblichen Rolle als Briefschreiberinnen und Briefarbeiterinnen andererseits, rückt das ambivalente Verhältnis zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit, Privatheit und Politik in den Blick. Verallgemeinerte sich zwar zwischen Frühjahr 1848 und Sommer 1849 der ‚Einbruch‘ der Revolution ins Haus, bildeten sich entsprechende Praxen doch bereits im Vormärz heraus. Damit soll auch zur Diskussion gestellt werden, welche Kontinuitäten und welche Brüche zum Vormärz sich in einer solchen von weiblichen Erfahrungen, Praxen und Orten ausgehenden Perspektive auf Revolution zeigen.
Dr. Kristina Mateescu (LMU München)
Ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt „Wachsames Lesen: Hermeneutische Hellhörigkeit in der literarischen Vigilanzkultur des 19. Jahrhunderts“ des SFB 1369 Vigilanzkulturen. Ihre Dissertation „Engagement und esoterische Kommunikation unterm Hakenkreuz. Am Beispiel des Hochland-Kreises“ ist 2022 erschienen.
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Vortragsthema: „Streichen, Rath und Tadel“. Wachsames Lesen im Cotta-Verlag 1820-1848
Unter den Bedingungen von politischer Beobachtung und Sanktionsdrohung nahmen Verlage in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in mehrfacher Hinsicht eine Mittlerposition ein, indem sie politische, ästhetische und ökonomische Interessen miteinander abstimmten. Im Austausch mit staatlichen Institutionen, den Autor:innen, dem Buchhandel, den Leihbibliotheken und der literarischen Öffentlichkeit waren sie in ein komplexes Netzwerk von Interpretations- und Aufmerksamkeitsgemeinschaften eingebunden, in dem vielfältig interagiert und auch Kompromisse ausgehandelt wurden. Ausgehend von dieser Beobachtung werde ich in meinem Vortrag auf der Grundlage von Redaktionskorrespondenzen aus dem Cotta-Archiv (DLA Marbach) den Prozessen und Strategien der Verlagsarbeit innerhalb dieser weitreichenden kollaborativen sozialen Settings nachgehen und danach fragen, unter welchen Bedingungen es zu einer Steigerung hermeneutischer Hellhörigkeit kam und wie der Verlag auf Zensur und das damit verbundene Aufmerksamkeitsverhalten seiner Leserschaft reagierte.
Lisa Niederwimmer (Wien)
Universitätsassistentin (PraeDoc) am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Dissertationsprojekt: Repräsentation von Arbeiter:innen am Wiener Vorstadttheater (1845-1867). Zuvor war sie als Regieassistentin und Dramaturgin an verschiedenen Theatern tätig.
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Vortragsthema: Von der Fabriksarbeiterin zur Ehefrau. Figurationen von Ungleichheit im Wiener Unterhaltungstheater
Als Leitmedium des 19. Jahrhunderts hat Theater wichtige soziale Funktionen übernommen und zur Festigung von bürgerlichen Welt- und Wertvorstellungen beigetragen. Analog zur gesellschaftlichen Realität ist die Existenz und das Wachstum der (Industrie-)Arbeiter:innenschaft durch die Aufnahme in das Figurenrepertoire am Theater anerkannt worden. Um die bürgerliche Hegemonie nicht zu destabilisieren wurden Arbeiter:innen jedoch nicht als soziokulturell eigenständig repräsentiert. Eine gängige Strategie im Umgang mit realen gesellschaftlichen Gegensätzen war die symbolische Überwindung von sozialer Ungleichheit durch hyper- oder hypogame eheliche Verbindungen, die zugleich geschlechtsspezifische Ungleichheit normalisierten. Diese Funktionalisierung von Arbeiter:innenfiguren wird im Beitrag anhand der Theaterstücke Die Industrie-Ausstellung (1845) und Das Mädchen von der Spule (1852) diskutiert, wobei in theaterhistoriographischer Perspektive auch die Aufführungsebene in den Blick rückt, der ich mich mittels produktions- und rezeptionsseitigem Material nähere.
Walter Schilling (Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin):
Studiert Deutsche Literatur im M.A. an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2018-2021 Deutsch und Medienwissenschaft im B.A. an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2023 Studentische Hilfskraft für die Gastprofessur von Hendrick Blumentrath, sowie seit dem Jahr 2020 Tutor in verschiedenen Funktionen am Institut für deutsche Literatur und am Institut für Musik- und Medienwissenschaft.
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Vortragsthema: Die Figurationen des Gutsherrn im Vormärz. Über die Sozialbindung des Waldes in „Die Judenbuche“ und „Der Erbförster“
Im Vormärz vollzieht sich eine großflächige Privatisierung der Waldflächen, deren Folgen auch in literarischen Texten thematisiert werden. Während dieser gesellschaftliche Wandel und dessen Auswirkungen zu Beginn des Vormärzes noch deutlich offener und ambivalenter reflektiert werden, findet diese Perspektivenvielfalt zum Ende der Epoche ein jähes Ende. Diese Entwicklung lässt sich anhand der Novelle Die Judenbuche (1842) von Annette von Droste-Hülshoff und Otto Ludwigs bürgerliches Trauerspiel Der Erbförster (1850) veranschaulichen. Hierbei soll die Frage gestellt werden: Wie wird anhand des Gutsherrn das neue gesellschaftliche Verhältnis zum Wald inszeniert? Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass sich im Vormärz die Industrialisierung und die Kapitalisierung des Waldes – und dadurch die Umwälzung des Waldes zum Forst – vollzieht. Der Gutsherr wird im Laufe des Vormärzes eine immer dominantere Figur, die das neue gesellschaftliche Verhältnis zum Wald repräsentiert, in der die Ausbeutung der Natur einen essenziellen Charakter erhält.
13. Studientagung 2023
Referenten des 13. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2023
(v.l.n.r.): Julian Bockius (Universität Heidelberg), Elias Mahiout (Universität zu Köln), Ioannis Dimopulos (Universität Tübingen), Dr. Marius Reisener (Universität Bonn), Michael Schwedt (Bergische Universität Wuppertal).
TeilnehmerInnen des 13. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2023
(v.l.n.r.): Anne-Rose Meyer, Bernd Füllner, Julian Bockius, Elias Mahiout, Birgit Bublies-Godau, Norbert Otto Eke, Ioannis Dimopulos, Detlev Kopp, Helmut Loschko, Michael Schwedt, Viktoria Krebs, Marius Reisener, Wolfgang Lukas, Tania Eden, Michael Ansel.
Julian Bockius (Universität Heidelberg)
Studiert Germanistik und Romanistik an der Universität Heidelberg, 2019-2021 war er Wissenschaftliche Hilfskraft und Tutor am Lehrstuhl für Literatur der Moderne der Germanistik Heidelberg. Von 2021 – 2022 Juror und Wissenschaftliche Assistenz des Clemens-Brentano-Literaturpreises der Stadt Heidelberg, Auslandsstudium an der Université Montpellier Paul Valéry 3.
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Vortragsthema: Nachklänge von Zukunftsmusik. Unversöhnte Epochenkonflikte in Wolfgang Robert Griepenkerls Das Musikfest oder die Beethovener (1838)
Der Vortrag widmet sich den in Wolfgang Robert Griepenkerls längst vergessener Novelle Das Musikfest oder die Beethovener (1838) fiktional verhandelten kunsttheoretischen Positionen: So werden der Jean-Paul’sche Humor des Vikarius, der radikalromantische Dilettantismus des Grafen Adalbert und die Auswirkungen der instrumentalen „Gewalt der Musik“ auf den Kontrabassisten Hitzig in den Blick genommen. Dabei wird hervorgearbeitet, inwiefern der Text zeitgenössische soziale Gegensätze als inkompatibel entlarvt. Zwischen dem kulturellen Erbe der Romantik und der Realität des 19. Jahrhunderts lässt Griepenkerls Musikfest ein Scheitern sowohl revolutionärer Bestrebungen als auch künstlerischer Ideale verlauten, zeichnet jedoch überdies Lösungsskizzen vor. Als Kollision unvereinbarer Positionen stellt die Novelle somit ein kulturhistorisches Dokument und zugleich eine poetische Auseinandersetzung mit ästhetischen Diskursen der Vormärz-Zeit dar.
Ioannis Dimopulos (Universität Tübingen)
Studierte Germanistik, Allgemeinen Literaturwissenschaft und Komparatistik in Bielefeld, Tokio und Tübingen. Forschungsschwerpunkt in der Kritischen Theorie. Ab Herbst 2023 Doktorand am German Department der Brown University. Journalistische Tätigkeiten für das Feuilleton.
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Vortragsthema: Marx blinder Fleck. Zur Kritik der Religion in der Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie und Heines Deutschland. Ein Wintermärchen
Die Relation zwischen Heinrich Heine und Karl Marx ist einer breiten Forschung unterzogen worden. Gerne wird dabei auf die ähnliche Ausrichtung innerhalb der Religionskritik verwiesen. Diese Betrachtung unterschlägt die Differenz zwischen ästhetischer Reflexion und politischem Traktat, sowie die Nuance, in der Heine die Probleme der Religionskritik verhandelt. Heines Deutschland. Ein Wintermärchen registriert in der Forderung eines neuen Liedes das von Marx unreflektiert gelassene metaphysische Bedürfnis menschlichen Lebens. Vielmehr noch verhandelt sich hier aber die Frage nach einer kollektiven Identitätsbestimmung, die sich nicht mehr positiv durch den Gottes- bzw. Volksbezugs versteht, sondern dezidiert negativ durch die Kunst im Sinne des Wintermärchens. Gerade in Bezug auf die Frage politischer Praxis könnte Heine damit eine Antwort auf das aktuelle Thema geben, wie sich Politik ohne identitäre Positivbestimmungen à la Carl Schmitt denken ließe.
Elias Mahiout (Universität zu Köln)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität zu Köln. Er studierte Anglistik, Geschichte und Bildungswissenschaften und schloss sein Studium 2020 mit einem Master in Neuerer Geschichte ab. Seit 2021 promoviert er über Wissenspopularisierung in Periodika des frühen 19. Jahrhunderts.
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Vortragsthema: „Die Verbreitung nützlicher Kenntnisse ist das schönste Geschenk, das man seinem Jahrhunderte machen kann“ – Die Erschaffung nationaler Wissensordnungen in den europäischen Pfennig-Magazinen des frühen 19. Jahrhunderts
Mit dem Pfennig-Magazin entstand im Europa der 1830er Jahre ein Zeitschriftentypus, der seiner weitgefassten Leserschaft ein nahezu allumfassendes Wissen in ansprechender Form darbot und dabei enorme Verkaufszahlen erzielte. Da dieser bislang nahezu unerschlossene Quellenbestand von wissenspopularisierenden Periodika aus einem länderübergreifenden Verlegernetzwerk hervorging, liegt eine Konstellation vor, die eine empirische Untersuchung von sich wandelnden Wissensbeständen zwischen den Magazinen in Großbritannien (Penny Magazine), Frankreich (Magasin Pittoresque) und der deutschen Staatenwelt (Pfennig-Magazin) ermöglicht. Hierbei ist eine jeweils nationale Neuordnung des Wissens auszumachen – das scheinbar unverdächtig „nützliche“ Wissen vermochte nationale Vorstellungswelten bei seinen Rezipienten zu evozieren, da den umgestalteten Wissensbeständen identifikatorisches Potential innewohnte. Für die 1830er Jahre, die bereits als Inkubationszeit des modernen Nationalismus betrachtet wurden, lässt sich somit nachvollziehen, wie sich jenseits politisch-aktiver und sprachmächtiger Eliten Nationalisierungsprozesse in Medien der Alltagskultur gestalteten.
Dr. Marius Reisener (Universität Bonn)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Bonn. Promotion 2020 zu Die Männlichkeit des Romans an der HU Berlin. Von 2020–22 war er Postdoc an den SNF-Projekten „ETHOS“ und „FORM“ (UZH). Aktuell forscht er zu Kanon, Institutionen und dem Schwund der Literatur.
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Vortragsthema: Das heteronormative Missverständnis. Zu einer Ethik des Lesens im Anschluss an Karl Gutzkows Vorrede zu Friedrich Schleiermachers Vertraute Briefe über die Lucinde (1835)
Dem modernen Roman und seinen Theorien geht es darum, dem schwindenden Sinn einer Moderne ab 1800 mit dem Zwang zum So-Sein von Romanen beizukommen, und zwar unter der Maßgabe der Heteronormativität. Mit dem Vormärz geht es dann um die Dynamisierung dieses Verhältnisses. Dort wandelt es sich, so die These, von einem, das auf Stabilisierung zielt, zu einem, das ein fortlaufendes Hinterfragen vermeintlich stabiler Ordnungsparameter eröffnet. Form, Roman und Geschlecht werden zu Orten andauernder ethischer Lektüren. Maßgeblich für diese Umstellung ist das hermeneutische Programm, wie es Friedrich Schleiermacher lanciert und dessen Kern Missverstehensprozesse bilden. So steht mit der von Karl Gutzkow verfassen Vorrede zur Neuauflage der zuerst 1800 anonym erschienenen Vertraute Briefe über die Lucinde von Schleiermacher ein Dokument im Zentrum der Untersuchung. Produktiv möchte ich dessen Lektüre in zweifacher Hinsicht machen: Es geht erstens um das Potenzial, das Missverstehensprozesse für das Verhältnis von Leben und Form haben; und zweitens um das Missverständnis der Heteronormativität als Problem moderner Romanpoetiken.
Michael Schwedt (Bergische Universität Wuppertal)
M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Drittmittelprojekt GerLiLi der germanistischen Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2019 verfolgt er als Doktorand am Wuppertaler Historischen Seminar bei PD Dr. Arne Karsten ein Dissertationsprojekt über den Untergang der Republik Venedig 1797. Davor studierte er an der BUW Germanistik und Geschichte (Master of Education) sowie Geschichte (Master of Arts).
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Vortragsthema: „ich bleibe dabei, die Italiener stehen der politischen Freiheit näher als die Deutschen.“ – Italien als Projektionsfläche politischer Überzeugungen im Vormärz: Überlegungen zu den Reiseberichten Adolf Stahrs und Gustav Nicolais
Das Interesse am Feld deutscher Italienreiseberichte scheint weiterhin ungebrochen. Erst kürzlich hat bspw. Anne-Rose Meyer darauf hingewiesen, dass neben der klassischen Italienbegeisterung auch verstärkt politische Aspekte in der Italienforschung Berücksichtigung finden sollten. Hier setzt dieser Beitrag an: Kontrastiv soll anhand der Reiseberichte von Gustav Nicolai (1834) und Adolf Stahr (1847–1850) gezeigt werden, wie Italien insbesondere im Vormärz dazu genutzt werden konnte, politische Überzeugungen zu reflektieren und publizistisch zu verbreiten. Deutlich wird dabei, wie tradierte Italienbilder, insbesondere zum italienischen Alltagsleben, unter den jeweiligen Vorannahmen, mit denen die Autoren die Heimat verließen, nicht nur modifiziert, sondern aktiv dazu genutzt wurden, die heimischen Verhältnisse zu kommentieren: Hier sind Konstruktionen von Vertraut- und Fremdheit, vom Deutsch- und Italienischsein, ebenso zentral wie Deutungen von Freiheit als destruktiv oder beflügelnd.
12. Studientagung 2022
ReferentInnen des 12. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2022
(v.l.n.r.): Anna Weininger (Eberhard Karls Universität Tübingen), Nursan Celik (Westfälische Wilhelms Universität Münster), Pauline Solvi (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), Dr. Kathrin Wittler (FU Berlin), Dr. Johannes Czakai (FU Berlin), Christoph Blum (Eberhard Karls Universität Tübingen), Silvie Lang (Universität Kassel), Tobias Thanisch (RUB).
TeilnehmerInnen des 12. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2022
(v.l.n.r.): Diogo Campos Sasdelli, Sandra Markewitz, Birgit Bublies-Godau, Bernd Füllner, Anna Weininger, Nursan Celik, Pauline Solvi, Kathrin Wittler, Johannes Czakai, Christoph Blum, Silvie Lang, Tobias Thanisch, Anne-Rose Meyer, Norbert Otto Eke, Viktoria Krebs, Sonja Reimann-Thanisch
Christoph Blum (Eberhard Karls Universität Tübingen)
Seit 2019 Akademischer Mitarbeiter am SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ und Doktorand der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität Tübingen, 2013-2019 Studium der Fächer Geschichte, Politik und Wirtschaft, Philosophie/Ethik an der Universität Tübingen (Lehramt).
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Vortragsthema: „Ein solcher Keim einer neuen gesellschaftlichen Ordnung findet sich bereits im Actienwesen“ – Das Eisenbahnaktienfieber (1835-1844) im Kontext des Übergangs von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft
Betrachtet man das Deutsche Eisenbahnfieber im Kontext des Übergangs von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, versteht man es neu. Der gesellschaftliche Wandel beeinflusste vor allem das zur Finanzierung des Eisenbahn-baus notwendige „Actienwesen“. Die Zeitgenoss:innen luden außer den Eisenbahnen auch das „Actienwesen“ mit Hoffnungen und Visionen auf und verorteten es in dem Umbruch, indem sie in ihm die Basis einer neuen gesellschaftlichen Ordnung sahen. So nannten sie Aktiengesellschaften beispielsweise nicht selten „Aktienvereine“. Gerade das Vereinswesen war eines der zentralen Merkmale der neuentstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Neben dem Eisenbahnfieber tobte also auch ein Aktienfieber. Anhand der zeitgenössischen Deutung des „Actienwesens“ lässt sich zeigen, welchen Effekt der Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft auf das Eisenbahnaktienfieber hatte. Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel können dadurch stärker zusammengedacht werden.
Nursan Celik (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Studium der Germanistik, Anglistik, Philosophie an der Universität Kassel. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB 1385 Recht und Literatur sowie am Germanistischen Institut der Universität Münster. Redakteurin bei Textpraxis. Digitales Journal für Philologie.
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Vortragsthema: Strategien der Antipathie- und Sympathiesteuerung in Georg Büchners Woyzeck
In meinem Vortrag möchte ich vordergründig der Annahme nachgehen, wonach das Dramenfragment Woyzeck (1836/1837) des jungen Vormärz-Dichters Georg Büchner anders als lange vorherrschend nicht primär als soziales Drama oder als Revision eines faktualen ,Justizirrtums‘ misszuverstehen sei. Stattdessen soll nachgewiesen werden, dass im Stück eine Gerechtigkeitsindifferenz zu beobachten ist und der junge Autor sich hierbei einer nüchternen, sezierenden Darstellungsperspektive bedient. Dafür werde ich darlegen, dass im Drama nun gerade nicht ein manichäisches Weltbild lokalisiert werden kann, das im Zuge der Sozialtragödien-Vorstellung Figuren eindeutig dem Spektrum des Guten oder dem Spektrum des Bösen zuordnet. Das, so die These, lässt sich darauf zurückführen, dass gegenüber den handelnden Figuren eine subtile Oszillation zwischen Sympathie- und Antipathiesteuerung stattfindet, die in der Summe zu weitaus nuancierteren und komplexeren Charakterstrukturen führt, als es sich einem ersten Eindruck nach vermuten ließe.
Dr. Johannes Czakai (FU Berlin)
Der Historiker Johannes Czakai forscht zu Konversionen vom Judentum zum Christentum, jüdischen Friedhöfen, Grabsteininschriften und Genealogie. Seine Dissertation Nochems neue Namen. Die Juden Galiziens und der Bukowina und die Einführung deutscher Vor- und Familiennamen 1772-1820 ist 2021 erschienen.
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Vortragsthema (zusammen mit Dr. Kathrin Wittler): Literarischer Geheimdienst im Vormärz: Joel Jacoby (1811-1863)
Wie umfangreich, akribisch, aber auch widersprüchlich die Arbeit eines Spions im Vormärz sein konnte, verdeutlicht die geheimdienstliche Tätigkeit des Literaten Joel Jacoby (1811-1863). Aus jüdischem Elternhaus stammend, betätigte er sich in den 1830er Jahren als Schriftsteller, Redakteur und Zeitungskorrespondent und war befreundet mit liberalen Schriftstellern wie Karl Gutzkow und Heinrich Laube. Nachdem seine regierungskritischen Schriften verboten worden waren und er selbst ins Fadenkreuz der preußischen Sicherheitspolizei geraten war, überraschte Jacoby die Öffentlichkeit ab 1835 mit mehrfachen radikalen Seitenwechseln. Er wandelte sich vom liberalen Schriftsteller zum reaktionären Monarchisten, vom Verfolgten zum Spion im Dienste des preußischen Innenministers und schließlich vom Juden zum Katholiken. Der Vortrag gibt Einblicke in erstmals erschlossene Archivmaterialien, die es erlauben, Jacobys Arbeitsalltag als Spion nachvollziehen.
Silvie Lang (Universität Kassel)
Studium Internationale Literaturen und Anglistik/Amerikanistik in Tübingen, Germanistik u. English Studies an der Universität Luxemburg u. Literarisches Schreiben u. Lektorieren in Hildesheim. Doktorandin und Lehrbeauftragte an der Universität Kassel.
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Vortragsthema: Der Wald und seine Richter: Holzfrevel im Nachlass von Franz Xaver Schönwerth
Der Wald im Märchen kann kulturgeschichtliche Wirklichkeit repräsentieren: als Zufluchtsort für Aufständische oder als Raum zum Suizid. In beiden Funktionen erleben wir ihn auch in den Märchen von Franz Xaver Schönwerth (1810-1886). Schönwerth, der in der Blüte des Nachmärz in der Oberpfalz Märchen sammelte, hat uns Erzählungen hinterlassen, die den Wald oft zum Schauplatz rebellischer Handlungen machen, insbesondere des Holzfrevels. Die Holzfrevler werden dabei von den fantastischen Richtern des Waldes bestraft, dem „Höimann“ und der „wilden Jagd“ – manchmal gar vom Wald selbst. Die Holzfrevler und ihre fantastischen Richter gilt es, näher zu beleuchten und zu überprüfen, ob sie Ausdruck einer verängstigten, politisch enttäuschten oder königstreuen Bevölkerung sind oder ob der Wald hier bewusst als unantastbares Heiligtum inszeniert wird, um rebellische Handlungen wie den Holzfrevel zu unterbinden.
Pauline Solvi (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
Nach dem Bachelor in Germanistik und Geschichte an der Universität Heidelberg seit 2021 Studentin im Germanistik-Master Literatur–Wissen–Sprache. Zurzeit wissenschaftliche Hilfskraft im SFB Materiale Textkulturen/Teilprojekt B13 „Wissensordnung und Biographie“ bei Dr. Sylvia Brockstieger und Rebecca Hirt.
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Vortragsthema: Prisma eines Ichs. Versuch einer narratologischen Ausdifferenzierung der Ich-Ebenen in der frühen Lyrik Heinrich Heines
Die Frage nach dem „Ich“ der frühen Lyrik Heines beschäftigt die Forschung seit Langem. Während die ältere Forschung ein rein biografisches dahinter vermutet, erkennt die neuere ein ironisches und maskiertes „Ich“, das sich in der Rollenlyrik einen ironisch-maliziösen Spaß mit der Romantik erlaubt. Um aber die Begrenztheit des Ironie-Begriffs für die Beschreibung personaler Strukturen zu überwinden, wird in diesem Vortrag anhand des Heimkehr-Zyklus aus dem Buch der Lieder eine narratologische Analyse des als Einheit begriffenen Zyklus vorgeschlagen. So kann aus narratologischer Perspektive eine Vervielfältigung des Ichs als erzählerische Selbstvervielfältigung und als gestaffelter Selbstentwurf beobachtet werden. Die narratologische Analyse erlaubt es, sich den personalen Stör- und Spaltungsmomenten nicht allein über das Stichwort der Ironie zu nähern. Ebenso ermöglicht sie, das Romantische nicht lediglich als ironisch ausgehöhltes, sondern als ambivalentes Narrativ zu betrachten, das sich in den erzählerischen Selbstentwurf integriert.
Dr. Kathrin Wittler (FU Berlin)
Die Literaturwissenschaftlerin Kathrin Wittler forscht und lehrt an der FU Berlin. Ihre Dissertation Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte (1750-1850) ist 2019 erschienen. In ihrem zweiten Buch untersucht sie das Verhältnis von Einsamkeit und Lyrik.
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Vortragsthema (zusammen mit Dr. Johannes Czakai): Literarischer Geheimdienst im Vormärz: Joel Jacoby (1811-1863)
Wie umfangreich, akribisch, aber auch widersprüchlich die Arbeit eines Spions im Vormärz sein konnte, verdeutlicht die geheimdienstliche Tätigkeit des Literaten Joel Jacoby (1811-1863). Aus jüdischem Elternhaus stammend, betätigte er sich in den 1830er Jahren als Schriftsteller, Redakteur und Zeitungskorrespondent und war befreundet mit liberalen Schriftstellern wie Karl Gutzkow und Heinrich Laube. Nachdem seine regierungskritischen Schriften verboten worden waren und er selbst ins Fadenkreuz der preußischen Sicherheitspolizei geraten war, überraschte Jacoby die Öffentlichkeit ab 1835 mit mehrfachen radikalen Seitenwechseln. Er wandelte sich vom liberalen Schriftsteller zum reaktionären Monarchisten, vom Verfolgten zum Spion im Dienste des preußischen Innenministers und schließlich vom Juden zum Katholiken. Der Vortrag gibt Einblicke in erstmals erschlossene Archivmaterialien, die es erlauben, Jacobys Arbeitsalltag als Spion nachvollziehen.
11. Studientagung 2021
Tobias Hirschmüller (Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt)
Tobias Hirschmüller (Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt) war seit 2011 Wiss. Mitarbeit. im DFG-Projekt „Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/49“ sowie Stipendiat und Wiss. Mitarb. an der KU. Promotionsthema: Erzherzog Johann von Österreich als Reichsverweser 1848/1849.
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Vortragsthema: Ein liberaler Fürst für Deutschland? Erzherzog Johann von Österreich und seine Betrachtungen zur Politik im Vormärz
Neben der erhofften Autorität, die ein Mitglied des Hauses Habsburg auf das Reichsverweseramt übertragen sollte, war das Votum der Frankfurter Parlamentarier auch geprägt von der im Vormärz entstandenen populären Vorstellung über die Person von Erzherzog Johann. Der Erzherzog galt nicht nur als volksnaher Gegner zum System Metternich in Wien, sondern auch als national denkender Fürst, für den die Interessen eines einigen Deutschlands über dem Hader der Dynastien standen. Daher sollen als Fragestellungen im Vortrag aufgegriffen werden, welche Vorstellungen von Politik, Verfassung und Staatsführung bei Erzherzog Johann tatsächlich feststellbar sind und inwieweit sie von dem vorherrschenden Bild in der Öffentlichkeit abwichen. Welche Ordnungen der deutschen wie der europäischen Verhältnisse favorisierte er vor dem Kontext der Jahre zwischen 1815 und 1848? War er wirklich der liberale Fürst für Deutschland oder doch ein treuer Diener habsburgischer Interessen? Ein Ausblick auf die politischen Kommentare im Nachmärz wird den Blick auf den Habsburger abrunden.
Hauke Kuhlmann (Universität Bremen)
Hauke Kuhlmann studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Bremen. Dissertation über Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre. Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Germanistik an der Universität Bremen.
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Vortragsthema: Sterbende Fechter. Zur Aneignung der Statue des ‚Sterbenden Galliers‘ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Die im 19. Jahrhundert v.a. unter den Namen ‚Sterbender Fechter‘ und ‚Sterbender Gladiator‘ bekannte antike Statue eines tödlich verwundeten Kelten (heute: ‚Sterbender Gallier‘) erfuhr in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine bemerkenswerte Beachtung zumal in der Lyrik. Heinrich Heine, Friedrich de la Motte Fouqué, der Theologe und Schriftsteller Ignaz Heinrich von Wessenberg und Conrad Ferdinand Meyer rufen sie in ihren Gedichten auf. Sie ist präsent in literaturkritischen Arbeiten und in Kunstbeschreibungen der Zeit. Die Statue fungiert in den einzelnen Texten als Brennpunkt verschiedener Diskurse. Das betrifft poetologische und kunsttheoretische Fragen, ethische Implikationen einer proto-ästhetizistischen Darstellung sowie den Diskurs einer deutschnationalen Identität. Entlang dieser Schwerpunkte möchte ich die Aneignung der Fechterstatue in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachzeichnen.
Daniel Benedikt Stienen (Humboldt-Universität zu Berlin)
Daniel Benedikt Stienen studierte 2009–2012 Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Hamburg (B. A.) und 2012–2015 Geschichtswissenschaften (M. A.) in Berlin. 2016–2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für preußische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 2020 promoviert wurde.
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Vortragsthema: Geschichtspolitik und Literaturproduktion. Das „Friedrich-Jubiläum“ 1840 als Berliner Ereignis
Friedrich „der Große“ bedeutete für die Vormärz-Forschung der Nachkriegszeit vor allem eine politische, zwischen Liberalen und Konservativen umkämpfte Sinnstiftungsressource. Wenig Beachtung fand bislang die Tatsache, dass die Erinnerung an König Friedrich II. von Preußen seit den 1830er Jahren ein wichtiges Sujet im Berliner Kulturbetrieb darstellte. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand als ‚anlassbezogener Anlass‘ der 100. Jahrestag der Thronbesteigung im Jahr 1840, der von unterschiedlichen Buchverlagen planvoll (weil planbar) vorbereitet wurde. Erst kurzfristig rang sich der Berliner Hof durch, mit der Grundsteinlegung eines Reiterstandbildes an die Begeisterung breiterer Bevölkerungskreise für den Monarchen anzuknüpfen. Der Vortrag stellt die komplizierte Verflechtung zwischen politischen und kulturellen Diskursen dar und argumentiert, dass die preußische Monarchie erst verspätet an Formen einer personenbezogenen dynastischen Erinnerungskultur anknüpfte, damit aber die Grundlagen für die zukünftig bedeutsame konservative Deutung des Preußenkönigs legte.
Zeno Bampi (Université de Fribourg/Schweiz)
Zeno Bampi studierte Germanistik/Philosophie in München und Padua. 2017 Abschluss des Master-Studiums mit einer Arbeit über die Italiengedichte August von Platens. Seit Januar 2019 Arbeit an einer Dissertation über die Reisefeuilletons des Jungen Deutschland.
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Vortragsthema: Junge Literatur und ‚neue Schreibart‘. Problemgeschichte einer poetologischen Insurrektion am Ende der Goethezeit
In der Frage nach Ausrichtung, Zusammensetzung und Bedeutung des Jungen Deutschland besteht bis heute keine Einigkeit. Der Vortrag erprobt einen Neuansatz: Statt das Junge Deutschland als eine politisch-literarische Oppositionsbewegung zu verstehen, soll die Strömung vor dem Epigonenproblem der späten Goethezeit angesiedelt werden: Um sich des übermächtigen Erbes zu erwehren, entwickeln die jungdeutschen Autoren ein ästhetisches Programm der Abgrenzung, des Neubeginns und des ‚Anders-als-Bisher‘. In poetologischer Hinsicht beschränkt es sich auf bloße Kritik am Bestehendenm, aber dennoch erweist sich die jungdeutsche ‚Negativpoetik‘ als produktiv: In meinem Vortrag will ich aufzeigen, wie sich aus der Summe der poetologischen Abgrenzungsimpulse eine einheitsstiftende ‚neue Schreibart‘ des Jungen Deutschland entwickelt – und damit stil- und diskursgeschichtliche Neuerungen in die Prosa Eingang finden, die in ihrer Bedeutung weit über die Wirkungszeit der jungdeutschen Autoren hinausweisen.
Philipp Weber (Ruhr-Universität Bochum)
Philipp Weber, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Promotion 2016 an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Kosmologie der Romantik. Forschungsschwerpunkte: Poetologien des Wissens, europäische Romantik, Medien der Stimme.
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Vortragthema: Das Archiv der Stimmen in Büchners Woyzeck
Georg Büchners Drama Woyzeck stellt eine Figur vor, die von inneren Stimmen verfolgt zum Mörder der Geliebten wird. Die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts klassifiziert solche Fälle als akustische Halluzinationen, denen keine Entsprechung in der Realität zukommt. Es eröffnet sich damit zugleich ein (von der Forschung bislang nicht weiter beachteter) Grenzfall zur Tradition der inneren Stimme, welche wiederum im Pietismus sowie in den moralphilosophischen Grundlagentexten der Zeit fest verankert ist. Die diversen Prä- und Subtexte des Woyzeck-Fragments sind die ideellen Stützen eines sozialen Dispositivs, die an zentralen Stellen aufgerufen und in Relation zueinander gesetzt werden. Die halluzinatorischen Imperative Woyzecks stehen diametral hierzu, sind sie doch Zeugnis eines Wahns und zitieren, bzw. montieren doch darüber hinaus die Worte des ersten Clarus-Gutachtens, das für die historische Figur des Woyzeck angefertigt wurde. Die pathologischen Stimmen können somit als Echostimmen des historischen Falls verstanden werden, die im Drama auftauchen und dort sich zu einem Archiv der Stimmen versammeln. Der Vortrag will den Text auf die unterschiedlichen Funktionen und textuellen Verweise der inneren Stimme hin untersuchen. Es sollen damit schließlich auch Aspekte von Büchners Determinismus in neuartiger Weise befragt werden.
Henning Podulski (Universität Münster)
Henning Podulski hat im Jahr 2019 seinen Bachelorabschluss an der WWU Münster erworben und studiert momentan im M.A. Kulturpoetik und M.Ed. Deutsch & Sozialwissenschaften. Er ist seit 2019 in der Literaturdidaktik bei Dr. Jens Birkmeyer und im Exzellenzcluster Religion und Politik bei Professorin Dr. Martina Wagner-Egelhaaf beschäftigt.
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Vortragsthema: Dynamik der modernen Großstadt im Vormärz: Heinrich Heine als Flaneur und früher Feuilletonist in Briefe aus Berlin
In der Forschungsgeschichte zu Heinrich Heines Briefe aus Berlin existieren zwei Lesarten: Auf der einen Seite steht die Sicht auf Heine und die Figur des Flaneurs in den Briefen und auf der anderen Seite der Beitrag dieser zur Entstehung und Entwicklung des deutschsprachigen Feuilletonismus. Diese beiden Lesarten sind der Grundstein für die Betrachtung der Briefe aus Berlin innerhalb des Vortrages und sollen zusammengeführt werden. Der Flaneur in Heines Werk, der die Rezipient*innen an die Hand nimmt und durch seine Wahrnehmung des modernen Berlins führt, changiert dabei stets zwischen den Polen des Feuilletonismus, dem Politischen und dem Poetischen, so wie es auch Heine selbst als Autor dieser Korrespondenzberichte tut. Im Zentrum steht dabei insbesondere die Betrachtung der Stadt Berlin als moderne Großstadt im Vormärz, die von Heine aus einer flanierenden und zugleich feuilletonistischen Sicht betrachtet wird.
Julian Polberg (Bergische Universität Wuppertal)
Julian Polberg studierte von 2013-2018 Medienwissenschaft und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum, 2018 2021 MA-Studium der Editions- und Dokumentwissenschaft, seit 2019 wiss. Hilfskraft am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Editionswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal.
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Vortragsthema: Die Reiseskizzen und Lokalbeschreibungen des jungen Friedrich Engels (1839–1841) im Kontext bürgerlichen Reisens und der Entwicklung des literarischen Reiseberichts
Friedrich Engels veröffentlichte während seiner Ausbildungsjahre in Bremen von 1839 bis 1841 neben Literaturkritiken als erste schriftstellerische Arbeiten auch eine größere Anzahl von Reiseskizzen. Der Beitrag versucht die Berichte und Lokalbeschreibungen sowie die ihnen zugrundeliegenden Reisen in einen kultur-, literatur- und personalgeschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. In Abhängigkeit von der Transformation des Reisens selbst, lassen sich in der Entwicklung des literarischen Genres bis ins 19. Jahrhundert zwei Tendenzen des Reiseberichts – den malerisch-romantischen sowie den politisch-sozialen – in den Fokus nehmen. Es soll gezeigt werden, inwiefern in der Betrachtung der Reiseskizzen des jungen Engels, eine eigentümliche Synthese dieser beiden Ausprägungen sichtbar wird, welche sie im Hinblick auf die geistige Entwicklung des Autors lesbar macht.
10. Studientagung 2019
Jakob Baur (Universität Augsburg)
Jakob Baur studierte von 2008–2011 Europäische Kulturgeschichte und Germanistik (Augsburg und Lyon), von 2011–2014 Kulturelle Grundlagen Europas (Konstanz und Hongkong, M.A.). Seit 2015 ist er wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg; Dissertationsprojekt „Angstlektüren. Emotionspraktiken der Angst und populäre Schauerliteratur, 1790–1850“ (Abstract: Das Dissertationsprojekt geht der Frage nach, welche Formen die Emotion der Angst im deutschsprachigen Raum im frühen 19. Jahrhundert annimmt und inwiefern diese sich historisch wandeln. Untersuchungsgrundlage sind populäre Schauererzählungen, sowie normative Texte und Rezeptionszeugnisse im Sinne eines ‚tiefen‘ Quellenverständnisses. Der theoretisch-methodische Zugang erfolgt über die historische Praxeologie und baut auf der Emotionsgeschichte sowie der literaturwissenschaftlichen Schauerforschung auf. Ziel der Untersuchung der historischen Angst ist es, den literarischen Schauer emotionshistorisch zu kontextualisieren, dessen Funktion im Zusammenhang mit Praktiken des Fühlens und Lesens sowie die Beziehung beider untereinander aufzuzeigen und dadurch bestehende Konzepte und Auffassungen der neuzeitlichen Mediengeschichte emotionshistorisch-praxeologisch fundiert um die Dimension der Emotion ‚Angst‘ zu erweitern.)
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Vortragsthema: Erheiterungen von der Nachtseite des Menschen. Popularisierung anthroplogischen Wissens in der Unterhaltungsliteratur Friedrich Launs und Heinrich Zschokkes
Mein Beitrag zum 10. Forum Junge Vormärzforschung möchte mit Friedrich Laun und Heinrich Zschokke zwei Autoren näher vorstellen, anhand derer sich der Wandel literarischer Kommunikation im Modus der Unterhaltungsliteratur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders gut nachvollziehen lässt. Dabei werden sowohl veränderte medienhistorische Bedingungen als auch neue Formen und Funktionen von Unterhaltungsliteratur beleuchtet. Dieses Referat möchte darauf hinweisen, dass sich die Erforschung der Unterhaltungsliteratur der Vormärzzeit (verstanden als die 33 Jahre zwischen Wiener Kongress von 1815 und der Märzrevolution von 1848) vor allem im Hinblick auf Frageperspektiven einer wissenshistorischen Kulturgeschichte lohnt.
In einem ersten Schritt sollen dazu die beiden Erfolgsautoren Friedrich Laun (d.i. Friedrich August Schulze; 1770-1849) und Heinrich Zschokke (1771–1848) als Akteure im Kontext des deutschsprachigen populärliterarischen Feldes der Vormärzzeit verortet werden. Anhand von Selbstzeugnissen und Paratexten gilt es den Habitus der beiden Populärliteraten zu rekonstruieren und in Bezug zu zeitgenössischen Diskursen über Unterhaltungslektüren zu setzen. Zweitens wird der medienhistorische Kontext von Produktion und Distribution der Texte Launs und Zschokkes skizziert. Dieser Blick auf Produktionsweisen, Medien und Gattungen der Unterhaltungsliteratur ermöglicht ein differenzierteres Verständnis der Bedingungen von populärliterarischer Kommunikation vor 1848. Diese Akteurs- und Medienperspektive gilt es, drittens, auf die Textebene selbst zu beziehen. Die ausgewählten Kurzprosatexte aus dem Schauergenre verhandeln Thematiken wie Wahnsinn, Mord und Geistertreiben, die eigentlich eher dazu prädestiniert scheinen, das Publikum zu erschrecken, nämlich dezidiert auf eine unterhaltsame Weise. Im Gegensatz zu literarischen Avantgardisten wie Autoren der ‚schwarzen Romantik‘ aber, die explizit auf moralische Transgression abzielen und sich tendenziell dem literarischen Höhenkamm zuschreiben, haben Laun und Zschokke, so die These, als Autoren zweiter Reihe mit großem Publikumszuspruch anderes im Sinn: Es geht ihnen im Modus der Unterhaltung darum, menschenkundliches Wissen zu vermitteln. Diesem anthropologischen Wissen über psychopathologische Symptome, Alpträume und Sinnestäuschungen kommt in seiner narrativen Einbettung eine gesellschaftsstabilisierende Funktion zu, indem es die in eine Krise geratene soziale Ordnung wiederherstellen hilft. Das Wissen wird dabei aber nicht nur einfach präsentiert, sondern exemplarisch so kommuniziert, dass dessen allgemeine soziale Relevanz ersichtlich wird – zumindest dem impliziten Anspruch nach. Indem LeserInnen von Menschen in spezifisch menschlichen Krisen lesen, lernen sie, wie solche Krisen nach zeitgenössischem Wissensstand überwunden werden können. Es ist freilich anzumerken, dass sich die populärliterarische Darstellung menschlicher Nachtseiten nicht in einer belehrenden Stabilisationsfunktion erschöpft und sich auf Grund der Deutungsoffenheit literarischer Texte reduktive Funktionszuschreibungen generell verbieten.
Dennoch ermöglicht die Populärliteratur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der mediengeschichtlichen Bedingungen und der Situiertheit ihrer Autoren in spezifischen Diskurszusammenhängen tiefergehende Einblicke in die kommunikativen Potenziale einer unterhaltsamen Wissenspopularisierung. Ein so rekonstruiertes Zeitwissen vom Menschen und seinen Nachtseiten kann für eine kulturwissenschaftliche Vormärzforschung eine Grundlage zu weitere Fragen zum Wandel von Formen und Funktionen von Literatur in einer Zeit sich extensivierender Lektüren bilden.
Maria Magnin (Université de Lausanne)
Maria Magnin, geb. 1993. 2012-2018 Studium der deutschen und italienischen Literatur in Lausanne und Bern. Masterarbeit zur Schweiz als Gegenstand postkolonialer Selbstkritik in der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur. 2015-2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Edition im Robert Walser-Zentrum in Bern. Seit März 2018 Doktorandin im SNF-Projekt „Luxus und Moderne“ unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Georg von Arburg und Prof. Dr. Christine Weder mit einem Promotionsvorhaben zu Gottfried Keller.
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Vortragsthema: Luxus vs Arbeit. Luxuskritik aus weiblicher Perspektive im Vor- und Nachmärz
„Wenn ich mich amüsierte, wenn ich an Vergnügungen, an Putz, an Menschenverkehr Freude zeigte, war die Mutter immer mit mir zufrieden. Sie fand mich dann mädchenhaft und natürlich […].“ (Fanny Lewald)
Seit der Antike ist die Assoziation von Weiblichkeit und Luxus ein Topos. Von Männern wie Cato bis zu Werner Sombart wird den Frauen unterstellt, sie seien aufgrund ihrer „Natur“ für die Verlockungen des Luxus besonders anfällig. Zudem werden dem Luxus von seinen Kritikern häufig feminisierende Eigenschaften zugeschrieben, wie Verweichlichung oder durch Überreizung ausgelöste Hysterie. In der Forschungsliteratur zum Luxus und zur Luxusdebatte finden sich zwar zahlreiche Arbeiten, die sich mit dem Genderaspekt beschäftigen, aber weibliche Stimmen dazu sind kaum untersucht. Dabei gibt es gerade im 19. Jahrhundert verschiedene Schriftstellerinnen, die sich aus weiblicher Perspektive mit dem (bürgerlichen) Luxus in zeitlicher und materieller Hinsicht auseinandersetzen. Insbesondere für ein Recht auf Erwerbsarbeit eintretende Frauenrechtlerinnen versuchen aufzuzeigen, dass der angebliche weibliche Hang zum Luxus keineswegs eine „natürliche“ Sache ist, sondern dass er den Frauen des Mittelstands anerzogen wird, wie das obenstehende Zitat aus Fanny Lewalds Autobiographie unterstreicht. In ihrer Argumentation setzen die Schriftstellerinnen sich mit bürgerlichen Werten wie Nützlichkeit, Tüchtigkeit und Ehrbarkeit auseinander und zeigen auf, wie sehr die Erziehung der Mädchen zu einem müßigen Dasein denselben widerspricht.
In meinem Beitrag möchte ich die These vertreten, dass sich Schriftstellerinnen des Vor- und Nachmärz die Argumente der bürgerlichen Luxuskritik zu eigen machen und für ihre Zwecke einsetzen. Dies geschieht in unterschiedlichen Formen sowohl in literarischen Texten wie Fanny Lewalds Jenny (1843) oder ihrer Lebensgeschichte (1861–1863) als auch in politischen Schriften wie ihren Osterbriefen für die Frauen (1863), Louise Otto-Peters Recht der Frauen auf Erwerb (1866) oder Hedwig Dohms Feuilleton über die Geheimratstochter (1877). Ihre Kritik an der Mädchenerziehung richtet sich hauptsächlich auf zwei Punkte, die beide mit dem Luxus verbunden sind: Einerseits kritisieren sie es als Zeitverschwendung, wenn Mädchen und Frauen ohne eigentliche Aufgabe ihre Tage mit Nichtigkeiten füllen müssen und dadurch schließlich selbst zu einem „Luxusartikel“ (Louis Otto Peters) werden. Andererseits prangern sie die Versorgungsehe, in welche sich an Wohlstand und Bequemlichkeit gewöhnte Mädchen begeben, als Prostitution an. Um solchen Problemen abzuhelfen, fordern die Frauenrechtlerinnen das Recht auf Erwerb und v. a. auch das Recht auf eine echte Ausbildung. Diese Generation der Frauenbewegung hat Konzepte wie „Weiblichkeit“ und Mutterschaft stark betont und erscheint wegen ihrer großen Kompromissbereitschaft aus heutiger Perspektive oft etwas zahm. Aussagen wie diejenige von Fanny Lewald jedoch zeigen, dass schon hier die „natürliche“ Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern zumindest ansatzweise hinterfragt wird und dass spezifisch „weibliche“ Eigenschaften als gesellschaftliche Konstruktionen entlarvt werden. Positionen aus dem Luxusdiskurs tauchen dabei an ganz unterschiedlichen Stellen und mit teilweise gegenläufigen Funktionen im Argumentarium der Schriftstellerinnen auf.
Diogo Sasdelli (Universität Vechta)
Diogo Sasdelli studierte 2011 – 2016 Rechtswissenschaft an der Universidade Federal de Minas Gerais (UFMG) (Brasilien); Oktober 2018: Preisträger (DAAD-Preis), von 2016 – 2018 M. A.-Studium Kulturwissenschaften an der Universität Vechta, seit 2018 Doktorand in der Philosophie (Thema: Die philosophische Begründung der Rechtsinformatik in der Normenlogik).
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Vortragsthema: Freiheit und Zufall im Kontext des Vormärz.
Wer sich die Aufgabe stellte, die Gesamtheit der Ansprüche und Forderungen des Volkes, die im Kontext des deutschen Vormärz Anlass zu den revolutionären Ereignissen der Jahre 1848/49 gaben, unter einem einzigen Begriff zu erfassen, der fände wohl kein besseres Wort als „Freiheit“. Freiheit stand im Mittelpunkt der politischen Bewegungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber vorher auch der wissenschaftlichen und philosophischen Debatten in der Frühneuzeit, insbesondere im Rahmen der Aufklärung. Das abendländische Drama des Aufgangs der liberalen, bürgerlichen Gesellschaft beginnt, um eine Bühnenmetapher zu benutzen, mit der Aufklärung als Exposition und mit der Industriellen Revolution als Steigerung, entwickelt seine Peripetie in der Französischen Revolution und geht danach zur Retardation des Vormärz über, sowie anschließend zur Schlusshandlung in Form der Ereignisse der Jahre 1848/49.
Neben der Hauptdarstellerin Freiheit ist in diesem Drama allerdings noch ein weiterer, häufig vergessener, doch höchst komplexer Nebendarsteller zu beachten: Der Zufall. Die Vorstellung des Zufälligen beschäftigt die Philosophie schon seit der Antike. Begrifflich scheint der Zufall sowohl mit Freiheit als auch mit Kausalität eng verwandt zu sein. Bemerkenswerterweise hat aber der Zufall anders als die Freiheit – deren Annahme zahlreichen Systemen der Ethik zugrunde liegt – und die Kausalität, die als Grundlage der klassischen Naturwissenschaft dient – erst nach der Entwicklung der Quantenphysik eine zentralere Rolle in der philosophischen Erkenntnistheorie und der Logik übernehmen können. Dass aber die Wichtigkeit dieses Begriffs in der Philosophie der Neuzeit, die zum Vormärz hinführte, gesehen wurde, ist durch die Tatsache belegt, dass schon damals viele Untersuchungen über den Zufall entwickelt wurden, und zwar genau von denselben Denkern, deren Schriften zur Freiheit die damalige politische Diskussion gestaltet haben (z. B. Kant, Fichte, Schopenhauer Hegel u.a.).
Im Vortrag sollen die Begriffe der Freiheit und des Zufalls im Kontext des Vormärz diskutiert werden. Dabei wird dem Begriff des Zufalls besondere Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere bezüglich der Rolle dieses Begriffs in der Literatur und der politischen Diskussion im Vormärz.
Viviane Meierdreeß (FU Berlin)
Viviane Meierdreeß studierte von 2013 2016 Literatur- und Sprachwissenschaft an der RWTH Aachen und von 2016 2019 Neuere deutsche Literatur (M.A.) an der FU Berlin; Forschungsinteressen: Identität, Gesellschaft, Nation im 19. Jh., das Werk Heinrich von Kleists, Entwicklung der Frauenliteratur.
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Vortragsthema: „[…] und der Freiheit will ich singen.“ – Politische Lyrik als Mittel der Partizipation für Autorinnen des Vormärz
In der literaturwissenschaftlichen Forschung sind die publizistischen Projekte und die Prosatexte von Autorinnen, deren Schaffenszeit in die des Vormärz fällt, ausführlich untersucht worden. So gibt es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu den Zeitungsprojekten verschiedener Autorinnen. Auch die Revolutions- und sozialkritischen Romane wurden in Forschungsbeiträgen analysiert. Weniger beachtet wurden hingegen die lyrischen Produktionen von Autorinnen im Vor- und Umfeld der europäischen Revolutionen von 1848/1849. In meinem Beitrag sollen die Gedichte der beiden Autorinnen, Louise Otto (Lieder eines deutschen Mädchens, 1847) und Louise Dittmar (Brutus-Michel, 1848; Wühlerische Gedichte eines Wahrhaftigen, 1848), betrachtet werden. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, inwiefern die Autorinnen die politische Lyrik als Mittel der Partizipation innerhalb der Gesellschaft und der historischen Ereignisse wahrnahmen, welche Bedeutung sie der politischen Lyrik für ihre eigene politische und gesellschaftliche Teilhabe beimaßen und ob und inwiefern sie die Geschlechterzuschreibungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts thematisierten beziehungsweise sich kritisch mit dieser auseinandersetzen.
Besonders deutlich wird dies am Werk von Louise Otto, die sich in ihrem Aufsatz „Ueber das erwachende Interesse der Frauen an der Politik“ mit der Bedeutung der politischen Lyrik für das gestiegene politische Interesse der Frauen, inklusive ihr selbst, auseinandersetzt. In Ottos Gedichten erscheint das Singen immer wieder als Möglichkeit, die es Frauen ermöglicht, sich aktiv in den politischen Prozess und in den Kampf für Freiheit und Einheit einzubringen. Die Bedeutung der politischen Lyrik wird bei Otto poetologisch aufgearbeitet und die Geschlechterverhältnisse klar thematisiert. Dittmar konzentriert sich hauptsächlich auf die Diskussion der revolutionären Ereignisse und politischen Umstände und behandelt die Frage der weiblichen Partizipation sekundär, macht Gleichberechtigung jedoch gleichzeitig zur Voraussetzung für wahre Freiheit.
Die Analyse der politischen Lyrik der genannten Autorinnen wirft einen erweiterten Blick auf die politisch engagierte Literatur des Vormärz und kann die Mittel, mit denen Frauen versuchten sich in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und die Partizipationsräume, die sie sich zu schaffen versuchten, beleuchten.
Ludmila Peters (Universität Paderborn)
Dr. Ludmila Peters studierte Literaturwissenschaft und Geschichte an der Universität Paderborn und der RGGU (RSHU) in Moskau. Sie ist wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Norbert Otto Eke an der Universität Paderborn und seit 2016 in Redaktion der ZfdPh tätig. Sie promovierte (2018) zu „Religion als diskursive Formation: Zur Darstellung von Religion in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“.
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Vortragthema: Lenaus Die Albigenser und Faust – Narratologische Perspektiven auf das Versepos im Vormärz
In der Fluchtlinie des Vormärz als ‚Experimentierfeld‘ (vgl. Füllner/Füllner 2007) lesen neuere Untersuchungen das Vormärz-Epos unter europäischen Ansätzen (vgl. Füllner/Füllner 2007), und fragen nach nation-building und Erinnerungstheorie (vgl. Krauss/Mohnike 2011) usw. Auch narratologische Zugriffe können das erzählende Moment von Versepen in eine neue Perspektive rücken. Umso mehr, da sich solche Lesarten antiker und mittelalterlicher Epentradition in den letzten 20 Jahren etabliert und ausdifferenziert (vgl. Schmitz, Telg genannt Kortmann/Jöne 2017; Fludernik 2013) haben.
Das Referat setzt an dieser narratologischen Perspektivierung an und macht den analytischen Blick auf Raumdarstellungen und deren Grenzüberschreitungen im Epos zu Gegenstand. Ausgehend von Juri Lotmans Raumkonzept in Erweiterung um seine kulturtheoretischen Überlegungen zur „Semiosphäre“ wird argumentiert, dass die ‚räumlichen‘ Grenzüberschreitungen und -bewegungen in den Epen in heterotopische ‚Zonen‘ münden, die rezeptionsästhetisch Irritationen produzieren.
Katja Holweck (Universität Mannheim)
Katja Holweck studierte Germanistik und Romanistik in Mannheim und Paris. Seit 2016 promoviert sie über das dramatische Œuvre C. D. Grabbes, zunächst gefördert durch ein LGF-Stipendium. Seit Herbst 2018 ist sie Assistentin am Seminar für Deutsche Philologie der Universität Mannheim: Literatur des Vormärz, Roman und Novelle der Jahrtausendwende, Drama und das Theater der Gegenwart.
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Vortragsthema: Kippfiguren. Ambiguität als ästhetische Strategie im dramatischen Werk C. D. Grabbes
Bis in die Gegenwart gilt C. D. Grabbe in der Literaturwissenschaft wie im Theaterbetrieb – gerade im Vergleich zu seinem ‚zugänglicheren‘ Schriftstellerkollegen Georg Büchner – mitunter als ‚sperriger Sonderfall‘. Und doch gehört der vergleichsweise wenig bekannte und gespielte Dramatiker, wie die Grabbe-Forschung bereits in zahlreichen Untersuchungen gezeigt hat, zu den für die Entwicklung des modernen Theaters zentralen Autoren des frühen 19. Jahrhunderts: So bricht Grabbes Dramaturgie über ihr agonal organisiertes Spiel mit den inhaltlichen und formalen Konventionen des Dramas mit der zeitgenössischen Theaterpraxis und rüstet so das Genre für die Moderne auf und um. Sich einer mitunter radikal anmutenden Erneuerung der Bühne der Restaurationszeit verpflichtend, avanciert der Hang zu Normverletzung und Destabilisierung zur Signatur von Grabbes dramatischen Schaffen. Seine ‚Poetik der Irritation‘ erweist sich nicht zuletzt als Produkt des ambiguen Charakters seiner Dramen. So zeigen sich seine Texte mit Kippfiguren bzw. mit Umkehrungsszenarien verschiedener Art durchsetzt.
Deutlich wird eine Affinität zum abrupten Bruch, welcher – so die These – auf einen Moment der Destabilisierung und Befremdung auf Seiten der Rezipienten zielt: In Anbetracht des Brüchigwerdens fester Zuordnungen und des damit einhergehenden Verlusts an Orientierung sieht sich der Leser mit der Herausforderung konfrontiert, sich zum Gezeigten positionieren zu müssen – was durch dessen Ambiguität, durch das Fehlen einer eindeutigen Botschaft zu einem heiklen Unterfangen wird. Grabbes Dramen zeigen sich an zahlreichen Stellen als Vexierbilder, die Momente der Unentscheidbarkeit produzieren und dadurch widerstreitende Lektüren ermöglichen. Besonders deutlich wird dies durch die irritierende Transgression der Gattungsgrenzen, die bereits den Zeitgenossen ins Auge stach und auf die auch die Grabbe-Forschung wiederholt verwiesen hat. Nicht zuletzt sind es die metatheatral angelegten Texte selbst, die jene Transgression explizit verhandeln: „[W]as tragisch ist, ist auch lustig, und umgekehrt. Hab ich doch oft in Tragödien gelacht, und bin in Komödien fast gerührt worden“, lässt Grabbe eine seiner Figur in seinem Hannibal von 1835 konstatieren.
Im Rahmen meines Vortrags soll sich der Erosion der Gattungsgrenzen mit dem Begriff der Ambiguität angenähert werden – eine ästhetische Kategorie, mit der sich die Germanistik gerade in jüngster Zeit intensiv auseinandergesetzt hat. Ambiguität soll als eine für das Grabbe’sche Œuvre charakteristische ästhetische Strategie perspektiviert werden, die insbesondere in Hinblick auf die Dramenschlüsse deutlich hervortritt. So lässt sich beobachten, dass die oben bemerkte ‚Widerständigkeit‘ der Texte besonders in den Schlussvolten eindrücklich hervortritt. Exemplarisch soll aufgezeigt werden, inwiefern an dieser Stelle Tragik und Komik spannungsreich nebeneinanderstehen und dem Leser in der Folge verschiedene Rezeptionshaltungen gegenüber dem Gezeigten angeboten werden – ohne dass die Texte jedoch eine von ihnen widerspruchsfrei ermöglichen. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich Grabbes Dramen als ‚ernste Spiele‘ verstehen, die zwischen Affirmation und Subversion, Ernst und Scherz oszillieren, ohne sich final bestimmen zu lassen und damit auf einen Bruch mit den gängigen Sehgewohnheiten und somit der passiven Rezeptionshaltung des Publikums zielen. Zu fragen wird sein, inwiefern der Dramatiker in den finalen Szenen seiner Werke auf systematische Art und Weise Strategien zur Vermeidung von Eindeutigkeit verfolgt, um nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu erörtern, inwiefern Grabbes ambigue Poetik ästhetische Modi und Problemkonfigurationen vorwegnimmt, die besonders – wie Hans-Thies Lehmanns wirkmächtiger Essay zum Postdramatischen Theater (1999) aufgezeigt hat – für das Theater der Gegenwart von zentraler Bedeutung sind.
Andreas Rizzi (Universität Zürich)
Andreas Rizzi ist seit August 2016 Doktorand an der Universität Zürich; Projekttitel: Poetik der Relation – Masse und Individuum im Drama um 1800. Von Oktober 2017-Januar 2019 war er Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds, er war Gastforscher an der FU Berlin und an der Yale University / Department of Germanic Languages and Literatures.
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Vortragsthema: Masse – zu einem Phantasma in Georg Büchners Danton´s Tod
„Ich werde zwar immer meinen Grundsätzen gemäß handeln, habe aber in neuerer Zeit gelernt, daß nur das nothwendige Bedürfniß der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Thorenwerk ist. Sie schreiben, man liest sie nicht; sie schreien, man hört sie nicht; sie handeln, man hilft ihnen nicht. [...] Ihr könnt voraussehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde.“ (Büchner).
Nach dem gescheiterten Juniaufstand in Paris 1832 und dem Frankfurter Wachensturm verdichtet sich Büchners Überzeugung, allein ein in die Breite der Volksmasse getragener Aufstand könne die revolutionäre Umwälzung des Staatsgebildes hin zur nationalen Einheit in Deutschland bewirken. Wie im Brief geäussert, haben die virulenten gesellschaftlichen Entwicklungen jener Jahre bei Büchner ein Umdenken bewirkt; er habe aus ihnen gelernt. Die Poetik Büchners selbst ist im Kontext von Historie und Sujet, schlussendlich vor dem Hintergrund der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen mimetischer Verfahren, nachzuzeichnen; in diesen Briefzeilen steht die Masse als Akteur der Geschichte nicht nur am Anfang einer Revolution, viel eher wird unter dem Vorzeichen einer Poetologie auf Schrift verwiesen.
In den Verhörprotokollen August Beckers, der an der Verteilung des Hessischen Landboten beteiligt war, gibt der Angeklagte unumwunden zu:
„Den Landboten betreffend, so sei es mir erlaubt, den Verfasser desselben, Georg Büchner, in seinen eigenen Worten, deren ich mich noch ziemlich genau erinnere, hier für mich reden zu lassen [...] Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art ausgeführt werden, so kann und darf das bloß durch die große Masse des Volkes geschehen, durch deren Ueberzahl und Gewicht die Soldaten gleichsam erdrückt werden müssen. Es handelt sich also darum, diese große Masse zu gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugschriften geschehen kann.“ (Eugenia-Protokolle).
Anhand der Figurenrede Camilles (selbst ein Dantonist) im 1. Akt, 1. Szene des Danton zeichnet der Beitrag zunächst die textweltliche Auseinandersetzung mit dem Komplex „Masse“ auf narrativer und konfiguraler Ebene nach, wobei auf die Körperrhetorik („Leib des Volkes“ etc.) fokussiert wird. Dies ist Grundlage für die weitergefasste Kontextualisierung, die im Kern das folgende Argument enthält: Mit der beinahe wörtlichen Übernahme Winckelmanns zeigt sich das Volk – die Masse also – in Camilles Figurenrede mittels verbaler Nachahmung als Abklatsch eines antiken Ideals und scheitert dem Diskurs des Vormärz gemäss und dem Winckelmann´schen Idealismus gleich an seiner phantasmagorischen Verfasstheit. Camilles Vorstellungen sind in ihrer Rhetorik rückwärtsgewandt codiert im doppelten Sinn, woraus sich die eigentümliche Metafiktion dieser Passage ergibt: Nicht nur referiert er mit seiner Allegorie auf ein vergangenes (klassizistisches) Ideal, sondern verweist auf ein über dieses Vergangene dargestelltes und potenziertes Vor-Vergangenes und somit für die gegenwärtige Situation, in der alles nach Zukunft strebt, Irrelevantes; auf die reine Idee, aus der sich die Republik entfalten soll. Er erscheint in der Ästhetik des Vormärz selbst als überholte Figur. Der Beitrag schliesst mit der Darlegung poetologischer Verstrickungen (Schriftlichkeit – Historie) mit Büchners in den Briefen geäusserten Auffassungen zur Masse.
9. Studientagung 2018
ReferentInnen und LeiterInnen des 9. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2018 (v.l.n.r.): Paul Keckeis, Michael Ansel, Isabel Golenia, Jonas Skell, Bernd Fuellner, Sarah Heckmann, Wolfgang Lukas, Stefanie Braun, Antonia Villinger, Cyril de Beun, Anne-Rose Meyer.
TeilnehmerInnen des 9. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2018 (v.l.n.r.): Katharina Grabbe, Olaf Briese, Paul Keckeis, Jonas Skell, Isabel Golenia, Michael Ansel, Philipp Erbentraut, Bernd Fuellner, Sarah Heckmann, Wolfgang Lukas, Stefanie Braun, Cyril de Beun, Antonia Villinger, Florian Vaßen, Anne-Rose Meyer, Gerhard Höhn, Norbert Waszek, Frank Stückemann und Birgit Bublies-Godau.
Cyril de Beun (Leuven)
Dr. Cyril de Beun (1991) ist Postdoc an der Universität Leuven. 2017 Promotion mit einer Dissertation zum Thema „Schriftstellerreden 1880-1938: Intellektuelle, Interdiskurse, Institutionen, Medien“. Er arbeitet derzeit an einem Projekt über den Paradigmenwechsel von Rhetorik zu Interdiskursivität und ihre Rezeption in der deutschen Literatur nach 1800. Forschungsschwerpunkte: deutsche Literatur von 1800 bis 1950, Interdiskurstheorie- und analyse, Rhetorik, Medien- und Kulturwissenschaft.
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Vortragsthema: „Von Rhetorik zu Interdiskursivität: Rezeption eines kulturellen Paradigmenwechsels durch Autoren des Vormärz“
Vor 1800 spielte die Rhetorik in der kulturellen Kommunikation eine zentrale Rolle. Sie fungierte nicht nur als pädagogisches Modell, sondern auch als Denksystem, das bei der Formulierung von Ideen nahezu eine Monopolfunktion besaß. Nach 1800 änderte sich ihre gesellschaftliche Stellung aber wesentlich. Es war nicht einfach die Rhetorikkritik, die schon in der Aufklärung von Kant geübt worden war, die diesem Wandel zugrunde lag. Auf einer fundamentalen gesellschaftlichen Ebene änderten sich, so die These dieses Referats, die diskursiven Bedingungen kultureller Kommunikation. Der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer rasanten Zunahme spezialisierter Teilbereiche und dementsprechender Spezialdiskurse führen würde, entsprang auch eine Gegentendenz, die darin bestand, dass Spezialdiskurse zu Interdiskursen zusammengeschlossen wurden. Diese Reintegrierungen ermöglichten temporäre Kopplungen zwischen getrennten gesellschaftlichen Teilbereichen. Vor allem die Literatur kennzeichnet sich durch interdiskursive Materialien, da Autoren, so behauptet etwa Jürgen Link, besondere Fähigkeiten bei der Auswahl und Kombination von spezialisiertem Wissen vorzuweisen haben. Wegen seiner Flexibilität konnte sich das interdiskursive System, das sich in der Praxis durch eine Sammlung nicht-systematischer Prozedere auswirkte, als Paradigma besser den sich wandelnden kommunikativen Voraussetzungen einer ausdifferenzierenden Gesellschaft anpassen, als es die Rhetorik konnte. Dabei nahm das interdiskursive System nach 1800 sogar die Rhetorik auf, die ihre paradigmatische Stellung inzwischen verloren hatte.
Dieses Referat zeigt die literarische Rezeption dieses Wandels im Vormärz. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Autoren des Jungen Deutschland, wobei aufgeklärt werden sollte, wie sich die interdiskursive Sprache ihrer Schriften zur dort geäußerten Religionskritik und zu ihrer Ablehnung des Absolutismus verhielt. Die Rhetorik hatte ihre paradigmatische Position als Denksystem gerade im Zeitalter vor 1800, unter der Herrschaft von Kirche und Monarchie, entwickelt. Im Vormärz geriet sie dann auch als religiös und monarchisch dominiertes System in die Kritik. Dass die Schriften des Jungen Deutschland immerhin rhetorische Mittel enthielten, wie Gert Ueding und Bernd Steinbrink in ihrem Grundriß der Rhetorik behaupten, stimmt, aber sie unterlagen dem dominanten interdiskursiven Idiom dieser Schriften. Das sollte in diesem Referat unter anderem mittels einer Analyse der Schriften von Theodor Mundt nachgewiesen werden.
Stefanie Braun (Toulouse)
Doktorandin an der Universität Toulouse II - Jean Jaurès, und Mitglied der Forschungsgruppe CREG; Titel der Dissertation: „Luise Mühlbachs Romandiskurs über deutsch-französische Beziehungen: populäre Historiografie und wissenschaftliche Modernität in Deutschland um 1850“; Studium: Agrégation d’allemand (2011), Master Recherche LLCE Etudes Germaniques et slaves, Bachelor in Germanistik, Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte; Forschungsthemen : L. Mühlbachs literarisches Werk (mit Schwerpunkt auf den historischen Romane nach 1848), Darstellung der deutsch-französischen Beziehungen in den historischen Romanen um 1850, politische nationale Mythenbildung im 19. Jahrhundert, Entwicklung des weiblichen Bürgersinns, kulturelle Interaktion zwischen Frankreich und Deutschland um 1850.
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Vortragsthema: „Kontinuitäten zwischen Vormärz und Nachmärz in L. Mühlbachs Werk am Beispiel der Kritik an der Konvenienzehe und der Darstellung der jüdischen Frage in den historischen Romanen der 1850er Jahre“
Ziel dieses Beitrags ist, das in der Forschung verbreitete Argument zu differenzieren, wonach L. Mühlbach (Clara Mundt) ab 1850 die sozialen Themen ihres Frühwerks der 1840er Jahren vernachlässigt hätte, um in die Gattung des historischen Romans zu flüchten und konservativere Ansichten zu vertreten. Es wird versucht, die Idee eines Bruches im Werke unseres Autors zu überwinden. Demzufolge wird die Beibehaltung mancher Themen betont, wie z.B. die Frage der weiblichen Emanzipation und die Kritik am religiösen Dogmatismus.
Das Thema der Liebesbeziehung außerhalb des Ehebundes und die Kritik an der gesellschaftlichen Heuchelei wurden schon von L. Mühlbach in ihrem sozialkritischen Frühwerk behandelt, als sie von den Saint-Simonistischen Ideen beeinflusst war. Die Kritik an der Konvenienzehe wird jedoch in L. Mühlbachs Werken wiederholt thematisiert, so auch in ihren Romanen nach 1850, wie in den untersuchten Werken Königin Hortense ( 1856), Napoleon in Deutschland (1858) und Kaiserin Josephine (1861). Diese Kritik nimmt verschiedene Formen an und betrifft alle sozialen Schichten, siehe die Darstellung der Königin Hortense, die Opfer einer arrangierten und unglücklichen Ehe mit Louis Bonaparte wird, oder die Gestalt der Fanny Arnstein in Napoleon in Deutschland, die gezwungen wird einen unbekannten Mann zu heiraten, um dem Willen ihres Vaters zu gehorchen, da jener geschäftliche Verbindungen mit der Familie Arnstein sucht.
Parallelen können ebenfalls zwischen L. Mühlbachs Werk vor und nach 1848 gezogen werden, indem die Problematik der weiblichen Emanzipation mit dem Thema der jüdischen Emanzipation assoziiert wird. Zuvor hatte L. Mühlbach dieses Thema im Roman Des Leben Heiland (1840) angeschnitten, wo sie die Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem Christen in Krakau geschildert hatte, und schon die Problematik der Konversion zum Christentum und des Verzichts auf die jüdische Kultur und Identität in Hinblick auf Ehe und soziale Integration behandelt hatte. Dies zeigt sich z.B. in Napoleon in Deutschland wo beschrieben wird, wie die Jüdin Marianne Meier von einer Menschenmenge beschimpft wird, die arrangierte Ehen ohne Liebe befürwortet und gleichzeitig Marianne – die einer anderen Religion angehört als ihr Geliebter – vorwirft, eine Liebesbeziehung außerhalb des Ehebundes zu führen. Dementsprechend inszeniert L. Mühlbach die Biographie der bekannten Salonière Marianne Meyer Eybenberg (1770-1812), und betont somit, dass sie zum Christentum übertreten musste, um den Mann heiraten zu können, den sie liebte, und um sich in die preußische und Wiener Gesellschaft integrieren zu können.
Anders als F. Lewalds Heldin Jenny bereut die Figur der Marianne Meier ihren Übertritt zur christlichen Religion nicht, jedoch ist ihr Verhältnis zur Religion trotzdem ambivalent, da sie sich zur Aufgabe macht für die jüdische Sache zu kämpfen, und Fanny Arnstein darum bittet, sich mit ihr zu verbinden, um Judentum und Judaismus zu verbreiten, und sich in der höheren Gesellschaft für die jüdische Kultur einzusetzen. Die Darstellung des deutschen und des preußischen Patriotismus bei den jüdischen Gestalten in Napoleon in Deutschland wird ebenfalls untersucht, v.a. weil bei L. Mühlbach jener deutscher Patriotismus mit der jüdischen Identität vereinbar scheint, wodurch der Vergleich mit Moses Mendelssohns Ideen nahe liegend ist. Es wird in den untersuchten Werken gezeigt, inwiefern die Autorin durch die Darstellung eines deutschen Patriotismus, der zur Überwindung der religiösen Unterschiede führt, zur Problematik der Bildung eines gemeinsamen deutsch-nationalen Imaginären beiträgt. Im weiteren Sinne wird im diesem Referat ebenfalls L. Mühlbachs ambivalenter Bezug zur Religion untersucht. In ihrem sozialkritischen Frühwerk macht sich der Einfluss einesspinozistischen Pantheismus bemerkbar und die Autorin bezeichnet sich in ihrer späten Korrespondenz noch als Heidin. Jedoch war sie in den 1840er Jahren der oppositionellen religiösen Bewegung Protestantische Freunde (Lichtfreunde) gegenüber positiv eingestellt und befürwortete das Erstarken eines theologischen Rationalismus innerhalb der protestantischen Kirche. Die Kritik am Dogmatismus und am religiösen Obskurantismus findet sich in L. Mühlbachs Werk immer wieder, wie z.B. im Vorwort des Romans Des Leben Heiland (1840), im dem sie sich gegen Fanatismus und religiöse Orthodoxie äußert, und erklärt, was sie unter wahrer Religion versteht : „die wahre Religion [beruht] nicht in Gebetsweise und Cultusform […], sondern in Gesinnung und That.“
Isabel Golenia (Lyon)
Seit 2017 Doktorandin (Université Lumière Lyon 2) « Valeur et fonction du silence dans la littérature allemande entre l'Aufklärung et le romantisme : approche théorique et mise en scène littéraire »; seit 2016 Deutschlehrerin (Studienrätin, Agrégation) in der Pariser Region; Lehramtsmaster (Université Lyon 2, Université Grenoble Alpes); Forschungsmaster Germanistik (Lyon 2), B.A. Französische und Deutsche Philologie (Freie Universität Berlin).
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Vortragsthema: „Die Ästhetischen Feldzüge von Ludolf Wienbarg und die Tradition – Genese einer jungdeutschen Ästhetik“
Unter Feldzügen versteht man allgemein strategisch geplante, militärische Operationen zum Erreichen eines Kriegsziels. Es scheint, als müssten die 24 Vorlesungen der Ästhetische(n) Feldzüge (1834), in Anbetracht der bewussten Titelwahl Ludolf Wienbargs (1802-1872) , als Kriegserklärung gelesen werden. Mit der prägnanten und offensiven Initialaussage „Dir, junges Deutschland, widme ich diese Reden, nicht dem alten“ richtet sich die Ästhetik vorerst gegen unbestimmt definiert „Altes“ und wird bei Wienbarg zum Ausgangspunkt für die Etablierung neuer Formen spezifisch deutscher Kunstbetrachtung unter dem Emblem des literarischen Jungen Deutschland. Die Bewegung des Jungen Deutschland vertritt keine einheitlich geschlossene Position in literarischen Belangen, sodass sich ihr Zusammenhalt eher aus äußeren Bedingungen, wie dem Publikationsverbot 1835, ergibt. Wienbarg wird durch seinen programmatisch theoretischen Ansatz und seine scharf formulierten Forderungen für eine Ästhetik der „neuen Generation“ eine gewisse, jedoch offen diskutierte Bedeutung und Tragweite zugeschrieben. Es steht zur Debatte, inwiefern Wienbarg als „Taufpate“ der Jungdeutschen Bewegung gelten kann und welche Rolle dabei den Ästhetischen Feldzügen zugeschrieben wird. Seine „wichtige Position als Theoretiker“ gilt als bestätigt und erlaubt es, die Ästhetische[n] Feldzüge als Referenz für Ansätze in der Theoriebildung des Jungen Deutschland kritisch hinterfragend anzuführen.
Sarah Heckmann (Wuppertal)
Jahrgang 1988; studierte von 2007-2014 an der BUW Anglistik, Geschichts- und Erziehungswissenschaft im komb. B.A. und M.Ed., den sie mit der Masterthesis zum Thema „Friedrich von Gentz und die politische Öffentlichkeit“ abschloss (Fach Geschichte, Förderpreis für Abschlussarbeiten der FABU 2014). Nach dem Studienreferendariat (2014-2015) nahm sie die Arbeit in der Winzig Stiftung in Wuppertal auf, die Familien und begleitende Fachkräfte in der sensiblen Phase der Geburt und frühen Kindheit unterstützt (2015-2017 Assistentin des Vorstands, seit 2018 Projektentwicklung). Zeitgleich und nebenberuflich begann sie ihre Promotion im Fach Geschichte (Fachbereich A, Neuere und Neueste Geschichte, Betreuer PD Dr. Arne Karsten). Zwischen März 2016 und April 2018 dankbare Stipendiatin der Graduiertenförderung der BUW, arbeitet sie im Rahmen ihrer Dissertation an einer Biographie des sächs. Publizisten Heinrich Wuttke (1818-1876).
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Vortragsthema: „‚Polenfresser‘ Heinrich Wuttke – antipolnischer Nationalismus und Germanisierungsprojekte 1846-48“
Deutscher Nationalismus im Vormärz wird in der Geschichtswissenschaft zuweilen als bürgerlich-liberale Emanzipationsbewegung verstanden. Ihr integratives Potential im Kampf gegen die einzelnen deutschen Regierungen, und sogar eine internationale Integrationskraft – der Traum vom „harmonische[n] Konzert der Nationalstaaten“ – werden dabei als seine Charakteristika hervorgehoben.
Ein anderes Gesicht des vormärzlichen Nationalismus zeigt indes das publizistische und politische Engagement des sächsischen Oppositionellen Heinrich Wuttke (1818-1876). Es führt uns eine nationalistische Ideologie vor Augen, die sich vor allem durch Abgrenzung und Aggression gegen andere ‚Nationen‘ auszeichnete. Politisch instrumentalisiert wurde dieses radikalnationale Konstrukt mit Hilfe der gängigen bürgerlichen Strategien - Assoziation in Vereinen, persönliche und Vereinsnetzwerke, presseöffentliche Propaganda
Als beispielhaft für diesen radikalen Nationalismus des späten Vormärz stellt der Beitrag das publizistische und vereinspolitische Engagement des in Leipzig wirkenden Schriftstellers und Geschichtsprofessors Heinrich Wuttke vor. Im ersten Teil des Beitrags wird Wuttkes antipolnische, nationalistische Artikelserie „Polen und Deutsche“ (1846, Augsburger Allgemeine Zeitung) als geistige und agitatorische Grundlage in den wesentlichen Zügen skizziert. Der zweite Teil stellt Wuttkes Initiative zum Verein zur Wahrung der deutschen Sache an den östlichen Grenzen (1848), dessen Vereins- und Propagandapraxis, sowie sein beachtliches Netzwerk in den Fokus. Der gewählte mikrohistorische Zugang macht deutlich: Obgleich Wuttke sich von politischen Gegnern die Kritik als „Polenfresser“ gefallen lassen musste, stieß erstens diese Ausprägung nationalistischer Ideologie auf beträchtliche gesellschaftliche Resonanz und schlug sich zweitens im Revolutionsjahr 1848 in einer bürgerlich-nationalistischen Schutzvereinsbewegung nieder.
Pau Keckeis (Salzburg/Wien)
Studium der Germanistik und Geschichte in Wien, Cambridge, Zürich und Salzburg; 2011-2013 Junior Fellow des IFK (Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien); 2016 Promotion mit einer Arbeit zu den Gattungen bei Robert Walser (erscheint 09/18 im Wallstein Verlag, Göttingen); Habilitationsprojekt zu Voraussetzungen und Transformationen deutschsprachiger Lyrik, 1830-1860.
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Vortragthema: „Zur Kulturanthropologie der deutschsprachigen Lyrik. 1830-1860“
Die sozialhistorische Bedeutung der lyrischen Praxis des Vor- und Nachmärz steht außer Frage, ihr ästhetischer Wert dagegen wird zumeist als gering veranschlagt. Während sich die Germanistik bevorzugt Gedichten zuwendet, die besondere Herausforderungen an die Interpretation stellen, wurde vereinzelt eingewendet, dass die Lyrik nur deshalb zu einem zentralen Medium der bürgerlichen Vergesellschaftung werden konnte, weil sie ihre pragmatische Funktion akzentuierte. Die ästhetische Strategie, die einem Großteil der lyrischen Produktion dieser Zeit zugrunde liegt, besteht gerade darin, nicht originell zu sein. Während die Literaturwissenschaft diese Eigenschaft zumeist als qualitativen Mangel der Gedichte beschreibt und ihnen dies nur angesichts ihrer politischen Wirkungsintentionen nachsieht, wird am Beispiel Heines und des österreichischen Lyrikers Ferdinand Sauter gezeigt, dass die Lyrik des 19. Jahrhunderts, wofern sie versucht, die überindividualistischen lyrischen Sprechweisen des vorbürgerlichen Zeitalters gegen die mit der Romantik initiierte ›Transfusion des Kollektiven ins Individuelle‹ (Adorno) präsent zu halten, in einem bewussten Spannungsverhältnis zu jenem ‚individualistischen‘ Lyrikbegriff steht, der in den Literaturwissenschaften kanonisiert wurde.
Jonas Skell (Berlin)
Studium der Volkswirtschaftslehre in Mannheim und Mailand (2011-2014). Im Anschluss: Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin mit den Forschungsinteressen „Dorfgeschichte(n)“ sowie „Literatur und Ethnologie“.
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Vortragsthema: „Von Bürgerbauern und Proletariern. Narrative der Transformation in der Dorfgeschichte des Vormärz“
Der Vortrag widmet sich einem Vergleich zwischen der frühen Dorfgeschichte Befehlerles (1842) von Berthold Auerbach und Carl Arnold Schloenbachs kaum beachteten Das Deutsche Bauernbuch (1848). Die beiden Autoren decken zwei komplementäre Ausprägungen der politischen Dorfgeschichte im Vormärz ab und wurden einander bereits von Uwe Baur in seiner Monographie Dorfgeschichte gegenübergestellt. Leitend ist die Frage nach Zukunftsentwürfen, die beide Texte in einer Phase tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche entwickeln.
Ausgehend von der Annahme, dass die Gattung der Dorfgeschichte im Vormärz als sozial engagierte Novellistik entstand und den Bauern erstmals als aktiv handelnden Akteur in einem veränderbar erscheinenden Geschichtsprozess entwirft (Baur), diskutiert der Vortrag zunächst, auf welche Weise Transformationen der dörflichen Lebenswelt sowohl Erzählanlass als auch Gegenstand der Dorfgeschichte sind (Neumann u. Twellmann). Während Befehlerles vor dem Hintergrund der Verwaltungsexpansion in Württemberg für die kommunale Selbstverwaltung eintritt, übt Das Deutsche Bauernbuch angesichts des Pauperismus Sozialkritik an den prekären Lebensbedingungen der Landbevölkerung: eine Kritik, die sich als Anklage gegen die Obrigkeit, die Kirche, den Staat oder allgemeiner das wirtschaftliche und politische System konkretisiert. Als notwendige Voraussetzung der politischen Positionierung figuriert sowohl bei Auerbach als auch bei Schloenbach der Anspruch, mit ihren Dorfgeschichten über empirische Wirklichkeit aufzuklären. Beide Texte wählen dabei je unterschiedliche narrative Verfahren der Beglaubigung.
Im Vortrag werde ich zeigen, dass in diesen Verfahren jeweils ein Modell politischen Wandels eingelagert ist. Auerbachs ‚Sprache der Nähe’ verweist, aufbauend auf eine im Dorf noch gegenwärtige Vergangenheit, idealistisch auf eine harmonische Zukunft, die durch das vorbildhafte Verhalten der ‚germanisierten‘ Dorfbewohner (Hahl) erreichbar scheint. Schloenbachs Eskalationsnarrative hingegen lassen den Figuren keinen Handlungsspielraum. Die Verzweiflungstat, in die fast alle Erzählungen des Deutschen Bauernbuchs münden, wird von Schloenbachs ‚Prosa der Plausibilität’ als alternativlos charakterisiert und fungiert als Drohung des zynischen Erzählers gegenüber dem impliziten Publikum. Im Vortrag wird die Offenheit, welche die Dorfgeschichte als Diskurs über mögliche Zukunftsmodelle des ländlichen Raums im Vormärz auszeichnet, ersichtlich werden.
Antonia Villinger (Köln)
2010 bis 2016 Studium der Germanistik, Kathoischen Theologie und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln und Karls-Universität Prag. 2016/2017 Tätigkeit als Teaching Assistant und paralleles Masterstudium an der Washington University in St. Louis, Missouri, USA. Seit August 2018 Doktorandin an der Universität Mannheim gefördert durch ein Stipendium der Landesgraduiertenförderung, Promotion zur „Verflechtung von Recht, Religion und Geschlecht in den Dramen Friedrich Hebbels“; ebenso seit August 2018 Wissenschaftliche Hilfskraft am Internationalen Kolleg Morphomata an der Universität zu Köln.
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Vortragsthema: „‚so würde sichs finden, ob das Gesetzbuch ein Loch hat‘ – Zur Verhandlung von Rechtsdiskursen in Friedrich Hebbels Drama Maria Magdalena (1844)“
„Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ – die das Drama abschließenden Worte Meister Antons aus Friedrich Hebbels 1844 erschienenem Bürgerlichen Trauerspiel Maria Magdalena beklagen eine Gesellschaftskonstellation, in welcher Chaos und Unrecht maßgeblich regieren. Der Text führt in drei Akten die Geschichte rund um die unehelich schwanger gewordene Tischlertochter Klara aus. Die Handlungsabfolge ist in eine Reihe von Rechtsfällen eingebettet, – wie ein vermeintlicher Juwelendiebstahl durch Karl, die Vergewaltigung Klaras oder ein Duell – welche sowohl die Entscheidungen der Figuren im Trauerspiel selber als auch die Personenkonstellation strukturieren. Die unrechtmäßige Festnahme Karls zum einen und die gerade nicht erfolgte Ermittlung gegen Leonhard – aufgrund der Vergewaltigung seiner Verlobten Klara – zum anderen rücken die Unzuverlässigkeit des inszenierten Rechtsystems in den Fokus.
Der Vortrag arbeitet heraus, wie im Drama die skizzierte Unzuverlässigkeit der juristischen Instanzen dargestellt wird und welche Deutungspotenziale sich daraus für die Personenkonfiguration ergeben. Von zentralem Interesse ist hierbei die textuelle Präsentation eines bürgerlichen Gesellschaftssystems, in welchem unrechtmäßiges Handeln mit Männlichkeit auf der einen und Gerechtigkeit mit Weiblichkeit auf der anderen Seite verknüpft wird. Diese Dichotomie manifestiert sich in der textlichen Reinszenierung des korrupten Kleist’schen Dorfrichter Adams aus Der zerbrochne Krug. Darüberhinaus verweisen die im Trauerspiel dargestellten Rechtsfälle, bei welchen die weiblichen Figuren der männlichen Handlungsdominanz zum Opfer fallen, auf diese Dualität zurück. Stirbt durch den Suizid Klaras am Ende des Dramas die einzige im Trauerspiel agierende humane Figur? Wie thematisiert die dramatische Handlung die gesellschaftliche Anerkennung von herrschendem Recht zwischen dessen tatsächlicher Funktionalität und der Tatsache, dass es geltende gesellschaftliche Konventionen – wie Geschlecht – abbildet und fortführt? Kann die textlich dargestellte Dichotomie von Recht und Unrecht auch als Kritik an einem Rechtsbegriff interpretiert werden, der Recht als etwas Neutrales setzt? Klingt in dem Trauerspiel bereits die politische Situation des Nachmärz an?
8. Studientagung 2017
TeilnehmerInnen des 8. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2017 (v.l.n.r.): Amélie Richeux, Ali Zein (RU Bochum), Laura Nippel, Amélie Lelay (HU Berlin), Kathrin Wittler (FU Berlin), Michael Ansel, Bernd Füllner (BU Wuppertal), Melina A. Munz (Univ. Freiburg), Sophia Victoria Krebs, Anne-Rose Meyer (BU Wuppertal).
Sophia Victoria Krebs
M.A., Studium der Germanistik, Philosophie und Editions- und Dokumentwissenschaft in Düsseldorf, Marburg und Wuppertal. Dissertation zu Briefsemiotik.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
»Misère, dein Name ist H. H.« Heines Name(n) als paratextuelles Element
Mit der Zeile „[...] Misère, dein Name ist H. H.“ (HSA 23, 1739. HH an Elise Krinitz, 23.1.1856) schloss der kranke Heine seinen Brief an die Mouche vom 23. Januar 1856, wenige Wochen vor seinem Tod. Heine hatte viele Namen: Harry Heine, Christian Johann Heinrich Heine, Henri Heiné – unter dem Namen Heinrich Heine erlangte der Schriftsteller Popularität. Exemplarisch für Heines Informationstaktik und seinen Umgang mit persönlichen Daten soll in diesem Vortrag sein Vexierspiel mit seinen Vornamen, Anagrammen, Traduktionymen anhand von Werken und persönlichen Zeugnissen in Hinblick auf seinen Werkbegriff analysiert werden. Es werden die Dimensionen dieses Spiels mit paratextuellen Elementen mit Fokus auf die persönliche, literarische und ökonomische Bedeutung der Namen unter Berücksichtigung der Onomastik ergründet und der Einfluss des sog. „Preußischen Judenedikts von 1812“ sowie des Diskurses um die speziell jüdische Namensvergabe im Vormärz untersucht.
Amélie Lelay
Geboren 1988. 2006-2009: Classe préparatoire aux Grandes Ecoles (hypokhâgne und khâgne) und Bachelor in Germanistik in Metz (Frankreich). Master im Fach Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin.
Derzeit Promotion an der Humboldt Universität Berlin über Heinrich Heine, Théophile Gautier und Gérard de Nerval.
Forschungsinteresse : Literatur und Geschichte des 19. Jahrhunderts (insbesondere Deutschlands und Frankreichs) , Kulturtransferts, Übersetzungstheorie, Poetik, Ästhetik.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Théophile Gautier und Gérard de Nerval: eine orientierte Heine-Rezeption?
Heinrich Heine emigrierte 1831 nach Paris und die französische Presse setzte sich auch bald mit dem Dichter auseinander. Die Dichter Théophile Gautier und Gérard de Nerval, die Heines Freunde wurden, präsentierten dem französischen Publikum eine lückenhafte Darstellung Heines, die eine ganz neue Heine-Lektüre in Frankreich prägte und verbreitete. Sie erwähnten die politische Seite des Dichters kaum, und stellten ihn eher als typisch deutschen, romantischen, an Problemen des Alltags uninteressierten Künstler dar. Dies war weniger die Konsequenz eines Missverständnisses als eines Willens, eine ausländische Persönlichkeit zu benutzen um ihre eigenen ästhetischen Ansichten zu legitimieren.
Melina A. Munz
Seit Februar 2017 Doktorandin am SFB 1015 "Muße. Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken." Teilprojekt G4 "Muße im indischen Gegenwartsroman" an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Oktober 2014 - Juni 2016 Master English Literatures and Cultures an der Eberhard Karls Universität Tübingen
2012/2013 Auslandsjahr an der University of Reading, UK
Oktober 2009 - Oktober 2016 Studium Englisch, Germanistik und Geschichtswissenschaft auf Lehramt an der Eberhard Karls Universität Tübingen
Forschungsinteressen: Postkoloniale englischsprachige Literatur und Theorie; indische Literatur; englische und deutsche Romantik
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Die Macht der Worte? Politische Dichtung und Aktion bei Lord Byron und Heinrich Heine
Sowohl der englische Lord und notorische Dandy Byron als auch der eher bürgerliche Heinrich Heine attackierten wiederholt verfahrene Strukturen in Politik und Gesellschaft. Während Heines Position in der Dichtung des Vormärz unumstritten scheint, ist der Vergleich mit dem zeitlich vorangegangenen Byron trotzdem aufschlussreich: Zum einen ist dessen Dichtung durch ähnliche soziale Probleme und Fragen politischer Unabhängigkeit charakterisiert und reagiert unmittelbar auf die vergangene französische Revolution und die europäische Restauration. Zum anderen ringen trotz der genannten Unterschiede beide mit ähnlichen Problemen der Dichterrolle: Sie kommentieren in ihrer politischen Dichtung das Verhältnis zwischen bloßen Worten und tatsächlicher Auswirkung auf die politische Situation. Mein Vortrag war an der These orientiert, dass Byron in Don Juan und Heine in Deutschland. Ein Wintermärchen einerseits ein Manifest für die Wirksamkeit der Worte, also der Macht politischen Schreibens, formuliert haben, andererseits die Zweifel an dieser Wirksamkeit nie aufgegeben haben. In ihrer Dichtung finden sie eine Form und damit teilweise Lösung für diese Problematik in der ironischen und satirischen Darstellungsweise.
Laura Nippel
Humboldt-Universität zu Berlin
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Parlamentarische Öffentlichkeit im Vormärz
Die parlamentarische Entwicklung der deutschen Staaten im Vormärz entwickelte sich im Spannungsfeld zwischen liberaler Bewegung und den Karlsbader Beschlüssen, die in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich rigide umgesetzt wurden. Besonders deutlich treten diese Unterschiede in einem Vergleich der den frühparlamentarischen Versammlungen zugestandenen Öffentlichkeit in den beiden Einzelstaaten Baden und Preußen zutage. Zwar konnten sich die preußischen Landtage schrittweise aus ihrer Isolation befreien, doch blieben sie hinter der Öffentlichkeit der badischen Zweiten Kammer zurück. Der Grad der Publizität und die politischen Spielräume der Parlamente bedingten einander wechselseitig. Der Kampf um Öffentlichkeit war auch ein Kampf um Einfluss und Legitimität zwischen Parlament und monarchischer Obrigkeit.
Amélie Richeux
Jg. 1982; Studium der Romanistik (Französisch und Spanisch); seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum im Forschungsprojekt »Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland« (gefördert von der Fritz Thyssen-Stiftung). Promotionsprojekt über die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich mit der Arbeit »Construction narrative et transmissions de savoirs anthropologiques dans les Causes célèbres de la France du XIXe siècle« (Arbeitstitel)
Ali Zein
Jg. 1988; Studium der Komparatistik und Germanistik; seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum; Promotionsprojekt über die Auseinandersetzung der Kriminalfallsammlung Der neue Pitaval mit der Schwurgerichtsdebatte im Rahmen des Forschungsprojekt »Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland«.
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Abstract des gemeinsamen Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland. Genre – Korpora – Programmatiken
Der gemeinsame Vortrag skizzierte vergleichend die französische und deutsche Causes-célèbres-Literatur des 19. Jahrhundert.
Das nicht-fiktionale, rechtsbegleitende kriminalliterarische Genre der ‘causes célèbres’, das im 18. Jahrhundert in Frankreich entsteht, ist sowohl in der Aufklärungszeit als auch im 19. Jahrhundert sehr erfolgreich. Die Analyse der Sammlungen aus dem post-revolutionären Zeitalter zeigt, dass die verschiedenen Programmatiken des Genres von den sozio-politischen und juridischen Umbrüchen und Entwicklungen – von der französischen Revolution bis zur dritten Republik – geprägt sind. Ebenfalls wird deutlich, dass die écriture der ‘causes’ von der Expansion der Presse und insbesondere von der juristischen Presse stark beeinflusst ist, so dass das Genre zu Beginn des 20. Jahrhunderts langsam ausstirbt.
Auf deutscher Seite wurde Der neue Pitaval (60 Bde., hg. Julius Eduard Hitzig, Willibald Alexis, Anton Vollert, Leipzig: Brockhaus 1842–1890) vorgestellt. Es wurden die Programmgeschichte und Alexis’ kriminalliterarische Poetik – besonders bezüglich der Schwurgerichtsdebatte und internationalen Kompiliationspraxis skizziert. Alexis kompiliert schwerpunkt-mäßig englische, französische und deutsche Fälle, um einen impliziten Systemvergleich zwischen dem monarchistisch begriffenen Inquisitionsverfahren und liberal-bürgerlich aufgeladenen Schwurgericht am Beispiel von Justizirrtumsfällen durchzuführen. Er verschiebt die Ursachen von der jeweiligen Verhandlungsform zu psychologischen, politischen und sozialen Konfliktfaktoren und bringt die juristische Reformdiskussion als moralische, soziale und politische Debatte mit dem Ziel einer Verteidigung des Schwurgerichts in die Öffentlichkeit.
Kathrin Wittler
Kathrin Wittler hat ihre Dissertation Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte (1750-1850), die von Prof. Dr. Andrea Polaschegg und Prof. Dr. Ernst Osterkamp betreut wurde, Ende 2016 am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin verteidigt. Seit März 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post-Doc) am Lehrstuhl von Prof. Dr. Michael Gamper am Peter-Szondi-Institut für AVL der Freien Universität Berlin. Zu ihren Forschungsinteressen zählen die deutsche und deutsche jüdische Literaturgeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert, Bibel und Literatur, Orientalismus, Buchgeschichte und die literarische Produktivität von Einsamkeit.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Joel Jacoby (1811-1863). Eine Skandalfigur des Vormärz
Joel Jacoby (1811-1863) erregte in den 1830er Jahren mit einem doppelten Seitenwechsel Aufsehen. Er wechselte vom liberalen Lager in den Dienst der Polizei und konvertierte vom Judentum zum katholischen Glauben. Seinen politischen und religiösen Gesinnungswandel machte er in Zeitungserklärungen, in Streitschriften und in mehreren Gedichtbänden zu einer öffentlichen Angelegenheit. Obwohl er mit zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten des literarischen und politischen Lebens Kontakt hatte und an diversen Konflikten maßgeblich beteiligt war, kursieren bis heute nur wenige und fehlerhafte Informationen über die Eckdaten seines Wirkens. Um hier Abhilfe zu schaffen und Jacobys Rollen im literarischen Leben der 1830er bis 1850er Jahre zu erschließen, bereite ich auf der Basis neu erschlossenen (Archiv-)Materials eine fundierte werkbiographische und literatursoziologische Studie vor. Der Vortrag zeigte an ausgewählten Beispielkonstellationen auf, inwiefern sich an den heftigen Reaktionen auf Jacoby gleichsam seismographisch die Konflikte des literarischen Lebens im Vor- und Nachmärz ablesen lassen.
7. Studientagung 2016
TeilnehmerInnen des 7. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2016 (v.l.n.r.): Prof. Wolfgang Lukas (Univ. Wuppertal); Tim Weber, MA (Univ. Mainz); Dr. Philipp Erbentraut (Univ. Frankfurt a.M.); Christoph Valentin, MA (Univ. Münster); Maria Jacob, MA (Univ. des Saarlandes); Dr. Bernd Füllner (Univ. Wuppertal); Giuseppina Cimmino, MA (Univ. Florenz/ Bonn); PD Dr. Anne-Rose Meyer (Univ. Wuppertal); Jun.Prof. Dr. Katharina Schneider (Univ. Paderborn)
Giuseppina Cimmino
2004-2011: Studium der deutschen und englischen Philologie, der Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Università degli Studi di Napoli „L'Orientale“. Von Februar 2012 bis Juli 2016 Stipendiatin im Rahmen des internationalen Promotionskollegs „Germanistica Firenze-Bonn“ (Università degli Studi di Firenze, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), derzeit Beendigung der Promotion an der Universität Bonn. Forschungsinteressen: Poetik, Rhetorik, Ästhetik; Erzähltheorie; Literatur des 19. Jahrhunderts.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Tendenzermittlung und Historisierung. Die zeitdiagnostische Literaturkritik Laubes und Gutzkows
Am Beispiel Laubes Moderner Charakteristiken (1835) und Gutzkows Vergangenheit und Gegenwart (1830-1838) (1839) lassen sich im Gegenwartsdiskurs, der im Vormärz besondere Konjunktur gewinnt, semiotische Leitoperationen und dementsprechende Gegenwartskonzepte bestimmen: als solche gelten die Verfahren der ,Tendenzermittlung‘ und der ,Historisierung‘, die auf entgegengesetzten Gegenwartskonzepten basieren, indem jeweils auf Progression und Zyklik hinweisen. Mit dezidiert struktural-analytischer Herangehensweise kann man feststellen, dass diese Verfahren mittels der formalen und argumentativen Strategien des „Zäsur-Setzens“ (Historisierung), der „Charakteristik“ als Mittel der Zusammenhangsherstellung (Tendenzermittlung) und des Bezugs auf die Zukunft (Historisierung) in den Texten aktualisiert werden. Aus diesen Überlegungen kann man die Konsequenz ziehen, dass die diskursive Auseinandersetzung mit ‚Gegenwart‘ an die Rückbindung an eine wie auch immer geartete Kausalität nicht verzichten kann.
Power-Point-Präsentation zum Vortrag (als PDF-Datei)
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Skizze des Dissertationsprojekts:
Gegenwartskonzepte in der Publizistik und in der philosophischen Ästhetik (1830-1848) (als PDF-Datei)
Philipp Erbentraut
Geboren 1982; Studium der Politik und Geschichte; 2015 Promotion; seit 2015 Akademischer Rat für Politische Soziologie und Staatstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Mythos Anti-Parteien-Affekt
Warum deutsche Vormärz-Intellektuelle in Wirklichkeit vom Segen der politischen Parteien schwärmten
Gab es tatsächlich einen generellen Anti-Parteien-Affekt im deutschen politischen Denken des 19. Jahrhunderts? Philipp Erbentraut argumentiert gegen diesen Mythos und zeigt, dass es im Gegenteil bereits im Vormärz (1815–1848) eine positive und elaborierte Theorie und Soziologie der politischen Parteien gegeben hat, der ein modernes Parteienverständnis zugrunde lag. Er hinterfragt, inwiefern diese Positionen avanciertes politikwissenschaftliches Denken vorwegnahmen und sogar heutige Ansätze der Parteienforschung befruchten könnten. Aktuelle Krisensymptome der Parteiendemokratie wie Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit oder Mitgliederschwund führt er auf ihre erstmalige theoretische Durchdringung vor beinahe 200 Jahren zurück. Durch die Auswertung von mehr als 250 staatsphilosophischen Quellen kann er belegen, dass quer durch alle politischen Lager dabei freundliche, offen parteienbefürwortende Stellungnahmen überwiegen.
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Pressemitteilung:
Theorie und Soziologie der politischen Parteien im deutschen Vormärz 1815–1848 (als PDF-Datei)
Katharina G. Schneider
Forschungsschwerpunkte: Historische Bildungsforschung (Konzeptionen politischer Bildung im 19. Jahrhundert; Geschichte des Pädagogikunterrichts, seines Curriculums und seiner Didaktik; Methoden historischer Bildungsforschung), Unterrichtsforschung (Modellierung und Messung kasuistischer Kompetenz im Pädagogikunterricht; Fachdidaktische Modelle und Methoden)
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Publikationen in Auswahl (als PDF-Datei)
Christoph Valentin
Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Polemik und Feindbildkonstruktion
Die Berichterstattung des Münchener Nuntius Michele Viale Prelà über die Deutschkatholiken 1844/45
Im Vormärz begann die Ultramontanisierung des deutschen Katholizismus. Dieser durch Homogenisierung und romorientierte Zentralisierung gekennzeichnete Prozess wurde maßgeblich von den Apostolischen Nuntien, den Vertretern des Heiligen Stuhles in Deutschland, vorangetrieben. Ihre Berichte bildeten die Grundlage für das Vorgehen der Kurie. Beispielhaft hierfür steht Michele Viale Prelà, der zwischen 1838 und 1845 Nuntius in München war. Seine Berichte über die Deutschkatholiken geben kein differenziertes Bild der Entwicklung dieser ersten modernen Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche, sondern schildern sie als eine Sammlungsbewegung von schlechten Katholiken, Protestanten und Kommunisten, die das Ziel verfolge, Thron und Altar zu stürzen. Die Berichte Viale Prelàs stehen dabei paradigmatisch für die kurial-ultramontane Feindbildkonstruktion und tragen maßgeblich zum Verständnis der kurialen Deutschlandpolitik bei.
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Skizze des Dissertationsprojekts:
Die päpstliche Diplomatie und der Aufstieg des Ultramontanismus. Der Apostolische Nuntius Michele Viale Prelà in München (1838-1845) (als PDF-Datei)
Tim Weber
Interdisziplinäre Dissertation über Georg Büchner und die Volkskunde; Forschungsinteressen: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft, Editonsphililogie, Erinnerung und Gedächtnis, Erzählkultur und Medialität, Geschichte und Methoden der Germanistik und der Volkskunde.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Kinderfolklore im Woyzeck
Kinder als Dramenfiguren sind in den Woyzeck-Manuskripten eher die Ausnahme. In den ersten beiden Entwurfshandschriften sind sie nicht als Charaktere individualisiert; die Kinderkultur ist Ausdruck einer narrativ konstituierten Volkskultur als Lachkultur (Michail Bachtin), sinn- und identitätsstiftend. Der Herodes-Ringelreihen und das Anti-Märchen der Großmutter sind paradigmatisch für jenen Habitus, der religiöse und gesellschaftliche Institutionen verlacht, indem ein geistlicher Weltentwurf radikal anthropologisiert wird. Mit den Sepulkraltraditionen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit greifen Reim und Märchen eine Ikonographie des Leiblichen auf, die sich in den Bilderwelten der Volkskultur religionskritisch und sozialkritisch als immanente Lebenswirklichkeit materialisiert. In der Sprache des Volkes erzählt Georg Büchner in seinem Woyzeck auf diese Weise eine zweite Wahrheit über die Welt.
Vortragende des 14. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2024
(v.l.n.r.): Dr. Bernd Füllner (BUW), Dr. Demian Berger (Univ. Zürich), Walter Schilling, MA (HU Berlin), Lisa Niederwimmer (Univ. Wien), Dr. Kristina Mateescu (LMU München), Marina Beckmann, MA (BUW), Vincent Dold, MA (HU Berlin).
TeilnehmerInnen des 14. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2024
(v.l.n.r.): Birgit Bublies-Godau, Sophia Viktoria Krebs, Anne-Rose Meyer, Demian Berger, Walter Schilling, Bernd Füllner, Lisa Niederwimmer, Michael Ansel, Kristina Mateescu, Katharina Grabbe, Detlev Kopp, Marina Beckmann, Vincent Dold, Olaf Briese, Johanna Grad, Lorina Losch.
Studierte bis 2024 an der Bergischen Universität Wuppertal in den Fächern Germanistik, Mathematik und Anglistik sowie Bildungswissenschaften und schloss mit dem Master of Education Grundschule ab.
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Vortragsthema: Sozialpolitische Lyrik von Louise Aston
Louise Aston wird in der Vormärzforschung vornehmlich für ihr feministisches Engagement hervorgehoben, ihre literarischen Werke finden noch immer wenig Beachtung. Am ehesten werden ihre Romane thematisiert und dabei durchaus stark bezüglich ihrer Qualität kritisiert. Ihre Gedichtbände, die insgesamt achtundvierzig Gedichte umfassen, werden dagegen äußerst selten wirklich intensiv betrachtet, insbesondere der zweite Gedichtband wird häufig vernachlässigt. Sowohl Astons Romane als auch ihre Lyrik werden gerne autobiografisch gelesen, so werden z.B. exemplarisch ganze Gedichte oder einzelne Verse verwendet, um ihre sozialpolitischen Ansichten zu belegen. Wirklich ausführliche Analysen ihrer Lyrik gibt es jedoch kaum. Im Vortrag sollen daher diese Forschungslücken dargestellt werden, indem der aktuelle Stand der Forschung diskutiert wird, Besonderheiten in Astons lyrischem Stil herausgearbeitet werden und die Komplexität ihrer Gedichte bezüglich Form und Inhalt aufgezeigt wird.
Studierte 2005 bis 2012 Philosophie, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich und HU Berlin. Im Rahmen eines SNF-Projekts promovierte er 2017 an der UZH mit einer Arbeit zu Walter Benjamin und Gustav Landauer. Danach war er an der ETH Zürich und Uni Luzern als Oberassistent für Kulturwissenschaften tätig und vertiefte seine Moderne-Studien. Gegenwärtig arbeitet er als Projektleiter und Lehrbeauftragter an der UZH und habilitiert sich mit einer Arbeit zu Polemik in der Aufklärungsepoche.
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Vortragsthema: Vorstellung des SNF-Projekts „Polemik und literarisch-politische Öffentlichkeit 1815-1850“.
Die Transformation der literarischen in eine politische Öffentlichkeit und die Vielfalt der literarischen Positionen zwischen 1815 und 1850 artikuliert sich im Zeichen sich intensivierender polemischer Praktiken, die ins literarische Feld einwandern. Polemische Verfahren affizieren die ästhetischen Normen, dynamisieren die Öffentlichkeitsstruktur der Institution Literatur, erschüttern die prekäre Autonomie des Literatursystems und bringen neue Formen ästhetischer Operativität hervor. Sie setzen die Gattungsgrenzen in Bewegung, führen zu Gattungsauflösung, Hybridisierung und oft kurzlebiger Gattungsbegründung oder auch zur reaktiven Bekräftigung traditioneller Gattungen. Sie treiben die Fragmentierung der literarischen Öffentlichkeit und die Entstehung subversiver, von Zensur bedrohter Gegenöffentlichkeiten voran, darunter prominent die sich literarisch-publizistisch artikulierende und in der Salonkultur praktisch formierende Frauenemanzipation und die jüdische Emanzipationsbewegung. Am Beispiel der Junghegelianer, der deutsch-französischen Frühsozialisten oder der frauenemanzipatorischen Diskurse soll schließlich die theoretisch-politische Produktivität von Polemik aufgewiesen werden.
Ist Doktorand am Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts, Humboldt-Universität zu Berlin. Er promoviert zum Thema „Die Revolutionärin“. Sozialistische Geschlechterdiskurse zwischen Revolutionserfahrung und Revolutionserwartung, 1848-1933 und ist Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Studium der Geschichtswissenschaften und Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Université Aix-Marseille.SA.
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Vortragsthema: Das Haus in der Revolution 1848/49. Ein vergessener Aktions- und Erfahrungsort von Frauen zwischen Privatheit und Politik
Das Haus, die Wohnung und das Zimmer wurden bislang von der Revolutionsforschung zu 1848/49 nicht als eigenständige Orte der Revolution wahrgenommen. Damit wurden Erfahrungs- und Handlungsorte übersehen, durch die nicht zuletzt Frauen elementar mit der Revolution verbunden waren. Anhand der Abhängigkeit der Straßen- und Barrikadenkämpfe von den häuslichen Räumen einerseits, der weiblichen Rolle als Briefschreiberinnen und Briefarbeiterinnen andererseits, rückt das ambivalente Verhältnis zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit, Privatheit und Politik in den Blick. Verallgemeinerte sich zwar zwischen Frühjahr 1848 und Sommer 1849 der ‚Einbruch‘ der Revolution ins Haus, bildeten sich entsprechende Praxen doch bereits im Vormärz heraus. Damit soll auch zur Diskussion gestellt werden, welche Kontinuitäten und welche Brüche zum Vormärz sich in einer solchen von weiblichen Erfahrungen, Praxen und Orten ausgehenden Perspektive auf Revolution zeigen.
Ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt „Wachsames Lesen: Hermeneutische Hellhörigkeit in der literarischen Vigilanzkultur des 19. Jahrhunderts“ des SFB 1369 Vigilanzkulturen. Ihre Dissertation „Engagement und esoterische Kommunikation unterm Hakenkreuz. Am Beispiel des Hochland-Kreises“ ist 2022 erschienen.
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Vortragsthema: „Streichen, Rath und Tadel“. Wachsames Lesen im Cotta-Verlag 1820-1848
Unter den Bedingungen von politischer Beobachtung und Sanktionsdrohung nahmen Verlage in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in mehrfacher Hinsicht eine Mittlerposition ein, indem sie politische, ästhetische und ökonomische Interessen miteinander abstimmten. Im Austausch mit staatlichen Institutionen, den Autor:innen, dem Buchhandel, den Leihbibliotheken und der literarischen Öffentlichkeit waren sie in ein komplexes Netzwerk von Interpretations- und Aufmerksamkeitsgemeinschaften eingebunden, in dem vielfältig interagiert und auch Kompromisse ausgehandelt wurden. Ausgehend von dieser Beobachtung werde ich in meinem Vortrag auf der Grundlage von Redaktionskorrespondenzen aus dem Cotta-Archiv (DLA Marbach) den Prozessen und Strategien der Verlagsarbeit innerhalb dieser weitreichenden kollaborativen sozialen Settings nachgehen und danach fragen, unter welchen Bedingungen es zu einer Steigerung hermeneutischer Hellhörigkeit kam und wie der Verlag auf Zensur und das damit verbundene Aufmerksamkeitsverhalten seiner Leserschaft reagierte.
Universitätsassistentin (PraeDoc) am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Dissertationsprojekt: Repräsentation von Arbeiter:innen am Wiener Vorstadttheater (1845-1867). Zuvor war sie als Regieassistentin und Dramaturgin an verschiedenen Theatern tätig.
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Vortragsthema: Von der Fabriksarbeiterin zur Ehefrau. Figurationen von Ungleichheit im Wiener Unterhaltungstheater
Als Leitmedium des 19. Jahrhunderts hat Theater wichtige soziale Funktionen übernommen und zur Festigung von bürgerlichen Welt- und Wertvorstellungen beigetragen. Analog zur gesellschaftlichen Realität ist die Existenz und das Wachstum der (Industrie-)Arbeiter:innenschaft durch die Aufnahme in das Figurenrepertoire am Theater anerkannt worden. Um die bürgerliche Hegemonie nicht zu destabilisieren wurden Arbeiter:innen jedoch nicht als soziokulturell eigenständig repräsentiert. Eine gängige Strategie im Umgang mit realen gesellschaftlichen Gegensätzen war die symbolische Überwindung von sozialer Ungleichheit durch hyper- oder hypogame eheliche Verbindungen, die zugleich geschlechtsspezifische Ungleichheit normalisierten. Diese Funktionalisierung von Arbeiter:innenfiguren wird im Beitrag anhand der Theaterstücke Die Industrie-Ausstellung (1845) und Das Mädchen von der Spule (1852) diskutiert, wobei in theaterhistoriographischer Perspektive auch die Aufführungsebene in den Blick rückt, der ich mich mittels produktions- und rezeptionsseitigem Material nähere.
Studiert Deutsche Literatur im M.A. an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2018-2021 Deutsch und Medienwissenschaft im B.A. an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2023 Studentische Hilfskraft für die Gastprofessur von Hendrick Blumentrath, sowie seit dem Jahr 2020 Tutor in verschiedenen Funktionen am Institut für deutsche Literatur und am Institut für Musik- und Medienwissenschaft.
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Vortragsthema: Die Figurationen des Gutsherrn im Vormärz. Über die Sozialbindung des Waldes in „Die Judenbuche“ und „Der Erbförster“
Im Vormärz vollzieht sich eine großflächige Privatisierung der Waldflächen, deren Folgen auch in literarischen Texten thematisiert werden. Während dieser gesellschaftliche Wandel und dessen Auswirkungen zu Beginn des Vormärzes noch deutlich offener und ambivalenter reflektiert werden, findet diese Perspektivenvielfalt zum Ende der Epoche ein jähes Ende. Diese Entwicklung lässt sich anhand der Novelle Die Judenbuche (1842) von Annette von Droste-Hülshoff und Otto Ludwigs bürgerliches Trauerspiel Der Erbförster (1850) veranschaulichen. Hierbei soll die Frage gestellt werden: Wie wird anhand des Gutsherrn das neue gesellschaftliche Verhältnis zum Wald inszeniert? Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass sich im Vormärz die Industrialisierung und die Kapitalisierung des Waldes – und dadurch die Umwälzung des Waldes zum Forst – vollzieht. Der Gutsherr wird im Laufe des Vormärzes eine immer dominantere Figur, die das neue gesellschaftliche Verhältnis zum Wald repräsentiert, in der die Ausbeutung der Natur einen essenziellen Charakter erhält.
Referenten des 13. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2023
(v.l.n.r.): Julian Bockius (Universität Heidelberg), Elias Mahiout (Universität zu Köln), Ioannis Dimopulos (Universität Tübingen), Dr. Marius Reisener (Universität Bonn), Michael Schwedt (Bergische Universität Wuppertal).
TeilnehmerInnen des 13. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2023
(v.l.n.r.): Anne-Rose Meyer, Bernd Füllner, Julian Bockius, Elias Mahiout, Birgit Bublies-Godau, Norbert Otto Eke, Ioannis Dimopulos, Detlev Kopp, Helmut Loschko, Michael Schwedt, Viktoria Krebs, Marius Reisener, Wolfgang Lukas, Tania Eden, Michael Ansel.
Studiert Germanistik und Romanistik an der Universität Heidelberg, 2019-2021 war er Wissenschaftliche Hilfskraft und Tutor am Lehrstuhl für Literatur der Moderne der Germanistik Heidelberg. Von 2021 – 2022 Juror und Wissenschaftliche Assistenz des Clemens-Brentano-Literaturpreises der Stadt Heidelberg, Auslandsstudium an der Université Montpellier Paul Valéry 3.
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Vortragsthema: Nachklänge von Zukunftsmusik. Unversöhnte Epochenkonflikte in Wolfgang Robert Griepenkerls Das Musikfest oder die Beethovener (1838)
Der Vortrag widmet sich den in Wolfgang Robert Griepenkerls längst vergessener Novelle Das Musikfest oder die Beethovener (1838) fiktional verhandelten kunsttheoretischen Positionen: So werden der Jean-Paul’sche Humor des Vikarius, der radikalromantische Dilettantismus des Grafen Adalbert und die Auswirkungen der instrumentalen „Gewalt der Musik“ auf den Kontrabassisten Hitzig in den Blick genommen. Dabei wird hervorgearbeitet, inwiefern der Text zeitgenössische soziale Gegensätze als inkompatibel entlarvt. Zwischen dem kulturellen Erbe der Romantik und der Realität des 19. Jahrhunderts lässt Griepenkerls Musikfest ein Scheitern sowohl revolutionärer Bestrebungen als auch künstlerischer Ideale verlauten, zeichnet jedoch überdies Lösungsskizzen vor. Als Kollision unvereinbarer Positionen stellt die Novelle somit ein kulturhistorisches Dokument und zugleich eine poetische Auseinandersetzung mit ästhetischen Diskursen der Vormärz-Zeit dar.
Studierte Germanistik, Allgemeinen Literaturwissenschaft und Komparatistik in Bielefeld, Tokio und Tübingen. Forschungsschwerpunkt in der Kritischen Theorie. Ab Herbst 2023 Doktorand am German Department der Brown University. Journalistische Tätigkeiten für das Feuilleton.
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Vortragsthema: Marx blinder Fleck. Zur Kritik der Religion in der Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie und Heines Deutschland. Ein Wintermärchen
Die Relation zwischen Heinrich Heine und Karl Marx ist einer breiten Forschung unterzogen worden. Gerne wird dabei auf die ähnliche Ausrichtung innerhalb der Religionskritik verwiesen. Diese Betrachtung unterschlägt die Differenz zwischen ästhetischer Reflexion und politischem Traktat, sowie die Nuance, in der Heine die Probleme der Religionskritik verhandelt. Heines Deutschland. Ein Wintermärchen registriert in der Forderung eines neuen Liedes das von Marx unreflektiert gelassene metaphysische Bedürfnis menschlichen Lebens. Vielmehr noch verhandelt sich hier aber die Frage nach einer kollektiven Identitätsbestimmung, die sich nicht mehr positiv durch den Gottes- bzw. Volksbezugs versteht, sondern dezidiert negativ durch die Kunst im Sinne des Wintermärchens. Gerade in Bezug auf die Frage politischer Praxis könnte Heine damit eine Antwort auf das aktuelle Thema geben, wie sich Politik ohne identitäre Positivbestimmungen à la Carl Schmitt denken ließe.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität zu Köln. Er studierte Anglistik, Geschichte und Bildungswissenschaften und schloss sein Studium 2020 mit einem Master in Neuerer Geschichte ab. Seit 2021 promoviert er über Wissenspopularisierung in Periodika des frühen 19. Jahrhunderts.
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Vortragsthema: „Die Verbreitung nützlicher Kenntnisse ist das schönste Geschenk, das man seinem Jahrhunderte machen kann“ – Die Erschaffung nationaler Wissensordnungen in den europäischen Pfennig-Magazinen des frühen 19. Jahrhunderts
Mit dem Pfennig-Magazin entstand im Europa der 1830er Jahre ein Zeitschriftentypus, der seiner weitgefassten Leserschaft ein nahezu allumfassendes Wissen in ansprechender Form darbot und dabei enorme Verkaufszahlen erzielte. Da dieser bislang nahezu unerschlossene Quellenbestand von wissenspopularisierenden Periodika aus einem länderübergreifenden Verlegernetzwerk hervorging, liegt eine Konstellation vor, die eine empirische Untersuchung von sich wandelnden Wissensbeständen zwischen den Magazinen in Großbritannien (Penny Magazine), Frankreich (Magasin Pittoresque) und der deutschen Staatenwelt (Pfennig-Magazin) ermöglicht. Hierbei ist eine jeweils nationale Neuordnung des Wissens auszumachen – das scheinbar unverdächtig „nützliche“ Wissen vermochte nationale Vorstellungswelten bei seinen Rezipienten zu evozieren, da den umgestalteten Wissensbeständen identifikatorisches Potential innewohnte. Für die 1830er Jahre, die bereits als Inkubationszeit des modernen Nationalismus betrachtet wurden, lässt sich somit nachvollziehen, wie sich jenseits politisch-aktiver und sprachmächtiger Eliten Nationalisierungsprozesse in Medien der Alltagskultur gestalteten.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Bonn. Promotion 2020 zu Die Männlichkeit des Romans an der HU Berlin. Von 2020–22 war er Postdoc an den SNF-Projekten „ETHOS“ und „FORM“ (UZH). Aktuell forscht er zu Kanon, Institutionen und dem Schwund der Literatur.
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Vortragsthema: Das heteronormative Missverständnis. Zu einer Ethik des Lesens im Anschluss an Karl Gutzkows Vorrede zu Friedrich Schleiermachers Vertraute Briefe über die Lucinde (1835)
Dem modernen Roman und seinen Theorien geht es darum, dem schwindenden Sinn einer Moderne ab 1800 mit dem Zwang zum So-Sein von Romanen beizukommen, und zwar unter der Maßgabe der Heteronormativität. Mit dem Vormärz geht es dann um die Dynamisierung dieses Verhältnisses. Dort wandelt es sich, so die These, von einem, das auf Stabilisierung zielt, zu einem, das ein fortlaufendes Hinterfragen vermeintlich stabiler Ordnungsparameter eröffnet. Form, Roman und Geschlecht werden zu Orten andauernder ethischer Lektüren. Maßgeblich für diese Umstellung ist das hermeneutische Programm, wie es Friedrich Schleiermacher lanciert und dessen Kern Missverstehensprozesse bilden. So steht mit der von Karl Gutzkow verfassen Vorrede zur Neuauflage der zuerst 1800 anonym erschienenen Vertraute Briefe über die Lucinde von Schleiermacher ein Dokument im Zentrum der Untersuchung. Produktiv möchte ich dessen Lektüre in zweifacher Hinsicht machen: Es geht erstens um das Potenzial, das Missverstehensprozesse für das Verhältnis von Leben und Form haben; und zweitens um das Missverständnis der Heteronormativität als Problem moderner Romanpoetiken.
M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Drittmittelprojekt GerLiLi der germanistischen Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2019 verfolgt er als Doktorand am Wuppertaler Historischen Seminar bei PD Dr. Arne Karsten ein Dissertationsprojekt über den Untergang der Republik Venedig 1797. Davor studierte er an der BUW Germanistik und Geschichte (Master of Education) sowie Geschichte (Master of Arts).
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Vortragsthema: „ich bleibe dabei, die Italiener stehen der politischen Freiheit näher als die Deutschen.“ – Italien als Projektionsfläche politischer Überzeugungen im Vormärz: Überlegungen zu den Reiseberichten Adolf Stahrs und Gustav Nicolais
Das Interesse am Feld deutscher Italienreiseberichte scheint weiterhin ungebrochen. Erst kürzlich hat bspw. Anne-Rose Meyer darauf hingewiesen, dass neben der klassischen Italienbegeisterung auch verstärkt politische Aspekte in der Italienforschung Berücksichtigung finden sollten. Hier setzt dieser Beitrag an: Kontrastiv soll anhand der Reiseberichte von Gustav Nicolai (1834) und Adolf Stahr (1847–1850) gezeigt werden, wie Italien insbesondere im Vormärz dazu genutzt werden konnte, politische Überzeugungen zu reflektieren und publizistisch zu verbreiten. Deutlich wird dabei, wie tradierte Italienbilder, insbesondere zum italienischen Alltagsleben, unter den jeweiligen Vorannahmen, mit denen die Autoren die Heimat verließen, nicht nur modifiziert, sondern aktiv dazu genutzt wurden, die heimischen Verhältnisse zu kommentieren: Hier sind Konstruktionen von Vertraut- und Fremdheit, vom Deutsch- und Italienischsein, ebenso zentral wie Deutungen von Freiheit als destruktiv oder beflügelnd.
ReferentInnen des 12. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2022
(v.l.n.r.): Anna Weininger (Eberhard Karls Universität Tübingen), Nursan Celik (Westfälische Wilhelms Universität Münster), Pauline Solvi (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), Dr. Kathrin Wittler (FU Berlin), Dr. Johannes Czakai (FU Berlin), Christoph Blum (Eberhard Karls Universität Tübingen), Silvie Lang (Universität Kassel), Tobias Thanisch (RUB).
TeilnehmerInnen des 12. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2022
(v.l.n.r.): Diogo Campos Sasdelli, Sandra Markewitz, Birgit Bublies-Godau, Bernd Füllner, Anna Weininger, Nursan Celik, Pauline Solvi, Kathrin Wittler, Johannes Czakai, Christoph Blum, Silvie Lang, Tobias Thanisch, Anne-Rose Meyer, Norbert Otto Eke, Viktoria Krebs, Sonja Reimann-Thanisch
Seit 2019 Akademischer Mitarbeiter am SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ und Doktorand der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität Tübingen, 2013-2019 Studium der Fächer Geschichte, Politik und Wirtschaft, Philosophie/Ethik an der Universität Tübingen (Lehramt).
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Vortragsthema: „Ein solcher Keim einer neuen gesellschaftlichen Ordnung findet sich bereits im Actienwesen“ – Das Eisenbahnaktienfieber (1835-1844) im Kontext des Übergangs von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft
Betrachtet man das Deutsche Eisenbahnfieber im Kontext des Übergangs von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, versteht man es neu. Der gesellschaftliche Wandel beeinflusste vor allem das zur Finanzierung des Eisenbahn-baus notwendige „Actienwesen“. Die Zeitgenoss:innen luden außer den Eisenbahnen auch das „Actienwesen“ mit Hoffnungen und Visionen auf und verorteten es in dem Umbruch, indem sie in ihm die Basis einer neuen gesellschaftlichen Ordnung sahen. So nannten sie Aktiengesellschaften beispielsweise nicht selten „Aktienvereine“. Gerade das Vereinswesen war eines der zentralen Merkmale der neuentstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Neben dem Eisenbahnfieber tobte also auch ein Aktienfieber. Anhand der zeitgenössischen Deutung des „Actienwesens“ lässt sich zeigen, welchen Effekt der Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft auf das Eisenbahnaktienfieber hatte. Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel können dadurch stärker zusammengedacht werden.
Studium der Germanistik, Anglistik, Philosophie an der Universität Kassel. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB 1385 Recht und Literatur sowie am Germanistischen Institut der Universität Münster. Redakteurin bei Textpraxis. Digitales Journal für Philologie.
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Vortragsthema: Strategien der Antipathie- und Sympathiesteuerung in Georg Büchners Woyzeck
In meinem Vortrag möchte ich vordergründig der Annahme nachgehen, wonach das Dramenfragment Woyzeck (1836/1837) des jungen Vormärz-Dichters Georg Büchner anders als lange vorherrschend nicht primär als soziales Drama oder als Revision eines faktualen ,Justizirrtums‘ misszuverstehen sei. Stattdessen soll nachgewiesen werden, dass im Stück eine Gerechtigkeitsindifferenz zu beobachten ist und der junge Autor sich hierbei einer nüchternen, sezierenden Darstellungsperspektive bedient. Dafür werde ich darlegen, dass im Drama nun gerade nicht ein manichäisches Weltbild lokalisiert werden kann, das im Zuge der Sozialtragödien-Vorstellung Figuren eindeutig dem Spektrum des Guten oder dem Spektrum des Bösen zuordnet. Das, so die These, lässt sich darauf zurückführen, dass gegenüber den handelnden Figuren eine subtile Oszillation zwischen Sympathie- und Antipathiesteuerung stattfindet, die in der Summe zu weitaus nuancierteren und komplexeren Charakterstrukturen führt, als es sich einem ersten Eindruck nach vermuten ließe.
Der Historiker Johannes Czakai forscht zu Konversionen vom Judentum zum Christentum, jüdischen Friedhöfen, Grabsteininschriften und Genealogie. Seine Dissertation Nochems neue Namen. Die Juden Galiziens und der Bukowina und die Einführung deutscher Vor- und Familiennamen 1772-1820 ist 2021 erschienen.
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Vortragsthema (zusammen mit Dr. Kathrin Wittler): Literarischer Geheimdienst im Vormärz: Joel Jacoby (1811-1863)
Wie umfangreich, akribisch, aber auch widersprüchlich die Arbeit eines Spions im Vormärz sein konnte, verdeutlicht die geheimdienstliche Tätigkeit des Literaten Joel Jacoby (1811-1863). Aus jüdischem Elternhaus stammend, betätigte er sich in den 1830er Jahren als Schriftsteller, Redakteur und Zeitungskorrespondent und war befreundet mit liberalen Schriftstellern wie Karl Gutzkow und Heinrich Laube. Nachdem seine regierungskritischen Schriften verboten worden waren und er selbst ins Fadenkreuz der preußischen Sicherheitspolizei geraten war, überraschte Jacoby die Öffentlichkeit ab 1835 mit mehrfachen radikalen Seitenwechseln. Er wandelte sich vom liberalen Schriftsteller zum reaktionären Monarchisten, vom Verfolgten zum Spion im Dienste des preußischen Innenministers und schließlich vom Juden zum Katholiken. Der Vortrag gibt Einblicke in erstmals erschlossene Archivmaterialien, die es erlauben, Jacobys Arbeitsalltag als Spion nachvollziehen.
Studium Internationale Literaturen und Anglistik/Amerikanistik in Tübingen, Germanistik u. English Studies an der Universität Luxemburg u. Literarisches Schreiben u. Lektorieren in Hildesheim. Doktorandin und Lehrbeauftragte an der Universität Kassel.
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Vortragsthema: Der Wald und seine Richter: Holzfrevel im Nachlass von Franz Xaver Schönwerth
Der Wald im Märchen kann kulturgeschichtliche Wirklichkeit repräsentieren: als Zufluchtsort für Aufständische oder als Raum zum Suizid. In beiden Funktionen erleben wir ihn auch in den Märchen von Franz Xaver Schönwerth (1810-1886). Schönwerth, der in der Blüte des Nachmärz in der Oberpfalz Märchen sammelte, hat uns Erzählungen hinterlassen, die den Wald oft zum Schauplatz rebellischer Handlungen machen, insbesondere des Holzfrevels. Die Holzfrevler werden dabei von den fantastischen Richtern des Waldes bestraft, dem „Höimann“ und der „wilden Jagd“ – manchmal gar vom Wald selbst. Die Holzfrevler und ihre fantastischen Richter gilt es, näher zu beleuchten und zu überprüfen, ob sie Ausdruck einer verängstigten, politisch enttäuschten oder königstreuen Bevölkerung sind oder ob der Wald hier bewusst als unantastbares Heiligtum inszeniert wird, um rebellische Handlungen wie den Holzfrevel zu unterbinden.
Nach dem Bachelor in Germanistik und Geschichte an der Universität Heidelberg seit 2021 Studentin im Germanistik-Master Literatur–Wissen–Sprache. Zurzeit wissenschaftliche Hilfskraft im SFB Materiale Textkulturen/Teilprojekt B13 „Wissensordnung und Biographie“ bei Dr. Sylvia Brockstieger und Rebecca Hirt.
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Vortragsthema: Prisma eines Ichs. Versuch einer narratologischen Ausdifferenzierung der Ich-Ebenen in der frühen Lyrik Heinrich Heines
Die Frage nach dem „Ich“ der frühen Lyrik Heines beschäftigt die Forschung seit Langem. Während die ältere Forschung ein rein biografisches dahinter vermutet, erkennt die neuere ein ironisches und maskiertes „Ich“, das sich in der Rollenlyrik einen ironisch-maliziösen Spaß mit der Romantik erlaubt. Um aber die Begrenztheit des Ironie-Begriffs für die Beschreibung personaler Strukturen zu überwinden, wird in diesem Vortrag anhand des Heimkehr-Zyklus aus dem Buch der Lieder eine narratologische Analyse des als Einheit begriffenen Zyklus vorgeschlagen. So kann aus narratologischer Perspektive eine Vervielfältigung des Ichs als erzählerische Selbstvervielfältigung und als gestaffelter Selbstentwurf beobachtet werden. Die narratologische Analyse erlaubt es, sich den personalen Stör- und Spaltungsmomenten nicht allein über das Stichwort der Ironie zu nähern. Ebenso ermöglicht sie, das Romantische nicht lediglich als ironisch ausgehöhltes, sondern als ambivalentes Narrativ zu betrachten, das sich in den erzählerischen Selbstentwurf integriert.
Die Literaturwissenschaftlerin Kathrin Wittler forscht und lehrt an der FU Berlin. Ihre Dissertation Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte (1750-1850) ist 2019 erschienen. In ihrem zweiten Buch untersucht sie das Verhältnis von Einsamkeit und Lyrik.
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Vortragsthema (zusammen mit Dr. Johannes Czakai): Literarischer Geheimdienst im Vormärz: Joel Jacoby (1811-1863)
Wie umfangreich, akribisch, aber auch widersprüchlich die Arbeit eines Spions im Vormärz sein konnte, verdeutlicht die geheimdienstliche Tätigkeit des Literaten Joel Jacoby (1811-1863). Aus jüdischem Elternhaus stammend, betätigte er sich in den 1830er Jahren als Schriftsteller, Redakteur und Zeitungskorrespondent und war befreundet mit liberalen Schriftstellern wie Karl Gutzkow und Heinrich Laube. Nachdem seine regierungskritischen Schriften verboten worden waren und er selbst ins Fadenkreuz der preußischen Sicherheitspolizei geraten war, überraschte Jacoby die Öffentlichkeit ab 1835 mit mehrfachen radikalen Seitenwechseln. Er wandelte sich vom liberalen Schriftsteller zum reaktionären Monarchisten, vom Verfolgten zum Spion im Dienste des preußischen Innenministers und schließlich vom Juden zum Katholiken. Der Vortrag gibt Einblicke in erstmals erschlossene Archivmaterialien, die es erlauben, Jacobys Arbeitsalltag als Spion nachvollziehen.
Tobias Hirschmüller (Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt) war seit 2011 Wiss. Mitarbeit. im DFG-Projekt „Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/49“ sowie Stipendiat und Wiss. Mitarb. an der KU. Promotionsthema: Erzherzog Johann von Österreich als Reichsverweser 1848/1849.
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Vortragsthema: Ein liberaler Fürst für Deutschland? Erzherzog Johann von Österreich und seine Betrachtungen zur Politik im Vormärz
Neben der erhofften Autorität, die ein Mitglied des Hauses Habsburg auf das Reichsverweseramt übertragen sollte, war das Votum der Frankfurter Parlamentarier auch geprägt von der im Vormärz entstandenen populären Vorstellung über die Person von Erzherzog Johann. Der Erzherzog galt nicht nur als volksnaher Gegner zum System Metternich in Wien, sondern auch als national denkender Fürst, für den die Interessen eines einigen Deutschlands über dem Hader der Dynastien standen. Daher sollen als Fragestellungen im Vortrag aufgegriffen werden, welche Vorstellungen von Politik, Verfassung und Staatsführung bei Erzherzog Johann tatsächlich feststellbar sind und inwieweit sie von dem vorherrschenden Bild in der Öffentlichkeit abwichen. Welche Ordnungen der deutschen wie der europäischen Verhältnisse favorisierte er vor dem Kontext der Jahre zwischen 1815 und 1848? War er wirklich der liberale Fürst für Deutschland oder doch ein treuer Diener habsburgischer Interessen? Ein Ausblick auf die politischen Kommentare im Nachmärz wird den Blick auf den Habsburger abrunden.
Hauke Kuhlmann studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Bremen. Dissertation über Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre. Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Germanistik an der Universität Bremen.
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Vortragsthema: Sterbende Fechter. Zur Aneignung der Statue des ‚Sterbenden Galliers‘ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Die im 19. Jahrhundert v.a. unter den Namen ‚Sterbender Fechter‘ und ‚Sterbender Gladiator‘ bekannte antike Statue eines tödlich verwundeten Kelten (heute: ‚Sterbender Gallier‘) erfuhr in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine bemerkenswerte Beachtung zumal in der Lyrik. Heinrich Heine, Friedrich de la Motte Fouqué, der Theologe und Schriftsteller Ignaz Heinrich von Wessenberg und Conrad Ferdinand Meyer rufen sie in ihren Gedichten auf. Sie ist präsent in literaturkritischen Arbeiten und in Kunstbeschreibungen der Zeit. Die Statue fungiert in den einzelnen Texten als Brennpunkt verschiedener Diskurse. Das betrifft poetologische und kunsttheoretische Fragen, ethische Implikationen einer proto-ästhetizistischen Darstellung sowie den Diskurs einer deutschnationalen Identität. Entlang dieser Schwerpunkte möchte ich die Aneignung der Fechterstatue in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachzeichnen.
Daniel Benedikt Stienen studierte 2009–2012 Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Hamburg (B. A.) und 2012–2015 Geschichtswissenschaften (M. A.) in Berlin. 2016–2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für preußische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 2020 promoviert wurde.
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Vortragsthema: Geschichtspolitik und Literaturproduktion. Das „Friedrich-Jubiläum“ 1840 als Berliner Ereignis
Friedrich „der Große“ bedeutete für die Vormärz-Forschung der Nachkriegszeit vor allem eine politische, zwischen Liberalen und Konservativen umkämpfte Sinnstiftungsressource. Wenig Beachtung fand bislang die Tatsache, dass die Erinnerung an König Friedrich II. von Preußen seit den 1830er Jahren ein wichtiges Sujet im Berliner Kulturbetrieb darstellte. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand als ‚anlassbezogener Anlass‘ der 100. Jahrestag der Thronbesteigung im Jahr 1840, der von unterschiedlichen Buchverlagen planvoll (weil planbar) vorbereitet wurde. Erst kurzfristig rang sich der Berliner Hof durch, mit der Grundsteinlegung eines Reiterstandbildes an die Begeisterung breiterer Bevölkerungskreise für den Monarchen anzuknüpfen. Der Vortrag stellt die komplizierte Verflechtung zwischen politischen und kulturellen Diskursen dar und argumentiert, dass die preußische Monarchie erst verspätet an Formen einer personenbezogenen dynastischen Erinnerungskultur anknüpfte, damit aber die Grundlagen für die zukünftig bedeutsame konservative Deutung des Preußenkönigs legte.
Zeno Bampi studierte Germanistik/Philosophie in München und Padua. 2017 Abschluss des Master-Studiums mit einer Arbeit über die Italiengedichte August von Platens. Seit Januar 2019 Arbeit an einer Dissertation über die Reisefeuilletons des Jungen Deutschland.
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Vortragsthema: Junge Literatur und ‚neue Schreibart‘. Problemgeschichte einer poetologischen Insurrektion am Ende der Goethezeit
In der Frage nach Ausrichtung, Zusammensetzung und Bedeutung des Jungen Deutschland besteht bis heute keine Einigkeit. Der Vortrag erprobt einen Neuansatz: Statt das Junge Deutschland als eine politisch-literarische Oppositionsbewegung zu verstehen, soll die Strömung vor dem Epigonenproblem der späten Goethezeit angesiedelt werden: Um sich des übermächtigen Erbes zu erwehren, entwickeln die jungdeutschen Autoren ein ästhetisches Programm der Abgrenzung, des Neubeginns und des ‚Anders-als-Bisher‘. In poetologischer Hinsicht beschränkt es sich auf bloße Kritik am Bestehendenm, aber dennoch erweist sich die jungdeutsche ‚Negativpoetik‘ als produktiv: In meinem Vortrag will ich aufzeigen, wie sich aus der Summe der poetologischen Abgrenzungsimpulse eine einheitsstiftende ‚neue Schreibart‘ des Jungen Deutschland entwickelt – und damit stil- und diskursgeschichtliche Neuerungen in die Prosa Eingang finden, die in ihrer Bedeutung weit über die Wirkungszeit der jungdeutschen Autoren hinausweisen.
Philipp Weber, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Promotion 2016 an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Kosmologie der Romantik. Forschungsschwerpunkte: Poetologien des Wissens, europäische Romantik, Medien der Stimme.
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Vortragthema: Das Archiv der Stimmen in Büchners Woyzeck
Georg Büchners Drama Woyzeck stellt eine Figur vor, die von inneren Stimmen verfolgt zum Mörder der Geliebten wird. Die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts klassifiziert solche Fälle als akustische Halluzinationen, denen keine Entsprechung in der Realität zukommt. Es eröffnet sich damit zugleich ein (von der Forschung bislang nicht weiter beachteter) Grenzfall zur Tradition der inneren Stimme, welche wiederum im Pietismus sowie in den moralphilosophischen Grundlagentexten der Zeit fest verankert ist. Die diversen Prä- und Subtexte des Woyzeck-Fragments sind die ideellen Stützen eines sozialen Dispositivs, die an zentralen Stellen aufgerufen und in Relation zueinander gesetzt werden. Die halluzinatorischen Imperative Woyzecks stehen diametral hierzu, sind sie doch Zeugnis eines Wahns und zitieren, bzw. montieren doch darüber hinaus die Worte des ersten Clarus-Gutachtens, das für die historische Figur des Woyzeck angefertigt wurde. Die pathologischen Stimmen können somit als Echostimmen des historischen Falls verstanden werden, die im Drama auftauchen und dort sich zu einem Archiv der Stimmen versammeln. Der Vortrag will den Text auf die unterschiedlichen Funktionen und textuellen Verweise der inneren Stimme hin untersuchen. Es sollen damit schließlich auch Aspekte von Büchners Determinismus in neuartiger Weise befragt werden.
Henning Podulski hat im Jahr 2019 seinen Bachelorabschluss an der WWU Münster erworben und studiert momentan im M.A. Kulturpoetik und M.Ed. Deutsch & Sozialwissenschaften. Er ist seit 2019 in der Literaturdidaktik bei Dr. Jens Birkmeyer und im Exzellenzcluster Religion und Politik bei Professorin Dr. Martina Wagner-Egelhaaf beschäftigt.
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Vortragsthema: Dynamik der modernen Großstadt im Vormärz: Heinrich Heine als Flaneur und früher Feuilletonist in Briefe aus Berlin
In der Forschungsgeschichte zu Heinrich Heines Briefe aus Berlin existieren zwei Lesarten: Auf der einen Seite steht die Sicht auf Heine und die Figur des Flaneurs in den Briefen und auf der anderen Seite der Beitrag dieser zur Entstehung und Entwicklung des deutschsprachigen Feuilletonismus. Diese beiden Lesarten sind der Grundstein für die Betrachtung der Briefe aus Berlin innerhalb des Vortrages und sollen zusammengeführt werden. Der Flaneur in Heines Werk, der die Rezipient*innen an die Hand nimmt und durch seine Wahrnehmung des modernen Berlins führt, changiert dabei stets zwischen den Polen des Feuilletonismus, dem Politischen und dem Poetischen, so wie es auch Heine selbst als Autor dieser Korrespondenzberichte tut. Im Zentrum steht dabei insbesondere die Betrachtung der Stadt Berlin als moderne Großstadt im Vormärz, die von Heine aus einer flanierenden und zugleich feuilletonistischen Sicht betrachtet wird.
Julian Polberg studierte von 2013-2018 Medienwissenschaft und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum, 2018 2021 MA-Studium der Editions- und Dokumentwissenschaft, seit 2019 wiss. Hilfskraft am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Editionswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal.
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Vortragsthema: Die Reiseskizzen und Lokalbeschreibungen des jungen Friedrich Engels (1839–1841) im Kontext bürgerlichen Reisens und der Entwicklung des literarischen Reiseberichts
Friedrich Engels veröffentlichte während seiner Ausbildungsjahre in Bremen von 1839 bis 1841 neben Literaturkritiken als erste schriftstellerische Arbeiten auch eine größere Anzahl von Reiseskizzen. Der Beitrag versucht die Berichte und Lokalbeschreibungen sowie die ihnen zugrundeliegenden Reisen in einen kultur-, literatur- und personalgeschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. In Abhängigkeit von der Transformation des Reisens selbst, lassen sich in der Entwicklung des literarischen Genres bis ins 19. Jahrhundert zwei Tendenzen des Reiseberichts – den malerisch-romantischen sowie den politisch-sozialen – in den Fokus nehmen. Es soll gezeigt werden, inwiefern in der Betrachtung der Reiseskizzen des jungen Engels, eine eigentümliche Synthese dieser beiden Ausprägungen sichtbar wird, welche sie im Hinblick auf die geistige Entwicklung des Autors lesbar macht.
Jakob Baur studierte von 2008–2011 Europäische Kulturgeschichte und Germanistik (Augsburg und Lyon), von 2011–2014 Kulturelle Grundlagen Europas (Konstanz und Hongkong, M.A.). Seit 2015 ist er wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg; Dissertationsprojekt „Angstlektüren. Emotionspraktiken der Angst und populäre Schauerliteratur, 1790–1850“ (Abstract: Das Dissertationsprojekt geht der Frage nach, welche Formen die Emotion der Angst im deutschsprachigen Raum im frühen 19. Jahrhundert annimmt und inwiefern diese sich historisch wandeln. Untersuchungsgrundlage sind populäre Schauererzählungen, sowie normative Texte und Rezeptionszeugnisse im Sinne eines ‚tiefen‘ Quellenverständnisses. Der theoretisch-methodische Zugang erfolgt über die historische Praxeologie und baut auf der Emotionsgeschichte sowie der literaturwissenschaftlichen Schauerforschung auf. Ziel der Untersuchung der historischen Angst ist es, den literarischen Schauer emotionshistorisch zu kontextualisieren, dessen Funktion im Zusammenhang mit Praktiken des Fühlens und Lesens sowie die Beziehung beider untereinander aufzuzeigen und dadurch bestehende Konzepte und Auffassungen der neuzeitlichen Mediengeschichte emotionshistorisch-praxeologisch fundiert um die Dimension der Emotion ‚Angst‘ zu erweitern.)
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Vortragsthema: Erheiterungen von der Nachtseite des Menschen. Popularisierung anthroplogischen Wissens in der Unterhaltungsliteratur Friedrich Launs und Heinrich Zschokkes
Mein Beitrag zum 10. Forum Junge Vormärzforschung möchte mit Friedrich Laun und Heinrich Zschokke zwei Autoren näher vorstellen, anhand derer sich der Wandel literarischer Kommunikation im Modus der Unterhaltungsliteratur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders gut nachvollziehen lässt. Dabei werden sowohl veränderte medienhistorische Bedingungen als auch neue Formen und Funktionen von Unterhaltungsliteratur beleuchtet. Dieses Referat möchte darauf hinweisen, dass sich die Erforschung der Unterhaltungsliteratur der Vormärzzeit (verstanden als die 33 Jahre zwischen Wiener Kongress von 1815 und der Märzrevolution von 1848) vor allem im Hinblick auf Frageperspektiven einer wissenshistorischen Kulturgeschichte lohnt.
In einem ersten Schritt sollen dazu die beiden Erfolgsautoren Friedrich Laun (d.i. Friedrich August Schulze; 1770-1849) und Heinrich Zschokke (1771–1848) als Akteure im Kontext des deutschsprachigen populärliterarischen Feldes der Vormärzzeit verortet werden. Anhand von Selbstzeugnissen und Paratexten gilt es den Habitus der beiden Populärliteraten zu rekonstruieren und in Bezug zu zeitgenössischen Diskursen über Unterhaltungslektüren zu setzen. Zweitens wird der medienhistorische Kontext von Produktion und Distribution der Texte Launs und Zschokkes skizziert. Dieser Blick auf Produktionsweisen, Medien und Gattungen der Unterhaltungsliteratur ermöglicht ein differenzierteres Verständnis der Bedingungen von populärliterarischer Kommunikation vor 1848. Diese Akteurs- und Medienperspektive gilt es, drittens, auf die Textebene selbst zu beziehen. Die ausgewählten Kurzprosatexte aus dem Schauergenre verhandeln Thematiken wie Wahnsinn, Mord und Geistertreiben, die eigentlich eher dazu prädestiniert scheinen, das Publikum zu erschrecken, nämlich dezidiert auf eine unterhaltsame Weise. Im Gegensatz zu literarischen Avantgardisten wie Autoren der ‚schwarzen Romantik‘ aber, die explizit auf moralische Transgression abzielen und sich tendenziell dem literarischen Höhenkamm zuschreiben, haben Laun und Zschokke, so die These, als Autoren zweiter Reihe mit großem Publikumszuspruch anderes im Sinn: Es geht ihnen im Modus der Unterhaltung darum, menschenkundliches Wissen zu vermitteln. Diesem anthropologischen Wissen über psychopathologische Symptome, Alpträume und Sinnestäuschungen kommt in seiner narrativen Einbettung eine gesellschaftsstabilisierende Funktion zu, indem es die in eine Krise geratene soziale Ordnung wiederherstellen hilft. Das Wissen wird dabei aber nicht nur einfach präsentiert, sondern exemplarisch so kommuniziert, dass dessen allgemeine soziale Relevanz ersichtlich wird – zumindest dem impliziten Anspruch nach. Indem LeserInnen von Menschen in spezifisch menschlichen Krisen lesen, lernen sie, wie solche Krisen nach zeitgenössischem Wissensstand überwunden werden können. Es ist freilich anzumerken, dass sich die populärliterarische Darstellung menschlicher Nachtseiten nicht in einer belehrenden Stabilisationsfunktion erschöpft und sich auf Grund der Deutungsoffenheit literarischer Texte reduktive Funktionszuschreibungen generell verbieten.
Dennoch ermöglicht die Populärliteratur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der mediengeschichtlichen Bedingungen und der Situiertheit ihrer Autoren in spezifischen Diskurszusammenhängen tiefergehende Einblicke in die kommunikativen Potenziale einer unterhaltsamen Wissenspopularisierung. Ein so rekonstruiertes Zeitwissen vom Menschen und seinen Nachtseiten kann für eine kulturwissenschaftliche Vormärzforschung eine Grundlage zu weitere Fragen zum Wandel von Formen und Funktionen von Literatur in einer Zeit sich extensivierender Lektüren bilden.
Maria Magnin, geb. 1993. 2012-2018 Studium der deutschen und italienischen Literatur in Lausanne und Bern. Masterarbeit zur Schweiz als Gegenstand postkolonialer Selbstkritik in der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur. 2015-2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Edition im Robert Walser-Zentrum in Bern. Seit März 2018 Doktorandin im SNF-Projekt „Luxus und Moderne“ unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Georg von Arburg und Prof. Dr. Christine Weder mit einem Promotionsvorhaben zu Gottfried Keller.
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Vortragsthema: Luxus vs Arbeit. Luxuskritik aus weiblicher Perspektive im Vor- und Nachmärz
„Wenn ich mich amüsierte, wenn ich an Vergnügungen, an Putz, an Menschenverkehr Freude zeigte, war die Mutter immer mit mir zufrieden. Sie fand mich dann mädchenhaft und natürlich […].“ (Fanny Lewald)
Seit der Antike ist die Assoziation von Weiblichkeit und Luxus ein Topos. Von Männern wie Cato bis zu Werner Sombart wird den Frauen unterstellt, sie seien aufgrund ihrer „Natur“ für die Verlockungen des Luxus besonders anfällig. Zudem werden dem Luxus von seinen Kritikern häufig feminisierende Eigenschaften zugeschrieben, wie Verweichlichung oder durch Überreizung ausgelöste Hysterie. In der Forschungsliteratur zum Luxus und zur Luxusdebatte finden sich zwar zahlreiche Arbeiten, die sich mit dem Genderaspekt beschäftigen, aber weibliche Stimmen dazu sind kaum untersucht. Dabei gibt es gerade im 19. Jahrhundert verschiedene Schriftstellerinnen, die sich aus weiblicher Perspektive mit dem (bürgerlichen) Luxus in zeitlicher und materieller Hinsicht auseinandersetzen. Insbesondere für ein Recht auf Erwerbsarbeit eintretende Frauenrechtlerinnen versuchen aufzuzeigen, dass der angebliche weibliche Hang zum Luxus keineswegs eine „natürliche“ Sache ist, sondern dass er den Frauen des Mittelstands anerzogen wird, wie das obenstehende Zitat aus Fanny Lewalds Autobiographie unterstreicht. In ihrer Argumentation setzen die Schriftstellerinnen sich mit bürgerlichen Werten wie Nützlichkeit, Tüchtigkeit und Ehrbarkeit auseinander und zeigen auf, wie sehr die Erziehung der Mädchen zu einem müßigen Dasein denselben widerspricht.
In meinem Beitrag möchte ich die These vertreten, dass sich Schriftstellerinnen des Vor- und Nachmärz die Argumente der bürgerlichen Luxuskritik zu eigen machen und für ihre Zwecke einsetzen. Dies geschieht in unterschiedlichen Formen sowohl in literarischen Texten wie Fanny Lewalds Jenny (1843) oder ihrer Lebensgeschichte (1861–1863) als auch in politischen Schriften wie ihren Osterbriefen für die Frauen (1863), Louise Otto-Peters Recht der Frauen auf Erwerb (1866) oder Hedwig Dohms Feuilleton über die Geheimratstochter (1877). Ihre Kritik an der Mädchenerziehung richtet sich hauptsächlich auf zwei Punkte, die beide mit dem Luxus verbunden sind: Einerseits kritisieren sie es als Zeitverschwendung, wenn Mädchen und Frauen ohne eigentliche Aufgabe ihre Tage mit Nichtigkeiten füllen müssen und dadurch schließlich selbst zu einem „Luxusartikel“ (Louis Otto Peters) werden. Andererseits prangern sie die Versorgungsehe, in welche sich an Wohlstand und Bequemlichkeit gewöhnte Mädchen begeben, als Prostitution an. Um solchen Problemen abzuhelfen, fordern die Frauenrechtlerinnen das Recht auf Erwerb und v. a. auch das Recht auf eine echte Ausbildung. Diese Generation der Frauenbewegung hat Konzepte wie „Weiblichkeit“ und Mutterschaft stark betont und erscheint wegen ihrer großen Kompromissbereitschaft aus heutiger Perspektive oft etwas zahm. Aussagen wie diejenige von Fanny Lewald jedoch zeigen, dass schon hier die „natürliche“ Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern zumindest ansatzweise hinterfragt wird und dass spezifisch „weibliche“ Eigenschaften als gesellschaftliche Konstruktionen entlarvt werden. Positionen aus dem Luxusdiskurs tauchen dabei an ganz unterschiedlichen Stellen und mit teilweise gegenläufigen Funktionen im Argumentarium der Schriftstellerinnen auf.
Diogo Sasdelli studierte 2011 – 2016 Rechtswissenschaft an der Universidade Federal de Minas Gerais (UFMG) (Brasilien); Oktober 2018: Preisträger (DAAD-Preis), von 2016 – 2018 M. A.-Studium Kulturwissenschaften an der Universität Vechta, seit 2018 Doktorand in der Philosophie (Thema: Die philosophische Begründung der Rechtsinformatik in der Normenlogik).
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Vortragsthema: Freiheit und Zufall im Kontext des Vormärz.
Wer sich die Aufgabe stellte, die Gesamtheit der Ansprüche und Forderungen des Volkes, die im Kontext des deutschen Vormärz Anlass zu den revolutionären Ereignissen der Jahre 1848/49 gaben, unter einem einzigen Begriff zu erfassen, der fände wohl kein besseres Wort als „Freiheit“. Freiheit stand im Mittelpunkt der politischen Bewegungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber vorher auch der wissenschaftlichen und philosophischen Debatten in der Frühneuzeit, insbesondere im Rahmen der Aufklärung. Das abendländische Drama des Aufgangs der liberalen, bürgerlichen Gesellschaft beginnt, um eine Bühnenmetapher zu benutzen, mit der Aufklärung als Exposition und mit der Industriellen Revolution als Steigerung, entwickelt seine Peripetie in der Französischen Revolution und geht danach zur Retardation des Vormärz über, sowie anschließend zur Schlusshandlung in Form der Ereignisse der Jahre 1848/49.
Neben der Hauptdarstellerin Freiheit ist in diesem Drama allerdings noch ein weiterer, häufig vergessener, doch höchst komplexer Nebendarsteller zu beachten: Der Zufall. Die Vorstellung des Zufälligen beschäftigt die Philosophie schon seit der Antike. Begrifflich scheint der Zufall sowohl mit Freiheit als auch mit Kausalität eng verwandt zu sein. Bemerkenswerterweise hat aber der Zufall anders als die Freiheit – deren Annahme zahlreichen Systemen der Ethik zugrunde liegt – und die Kausalität, die als Grundlage der klassischen Naturwissenschaft dient – erst nach der Entwicklung der Quantenphysik eine zentralere Rolle in der philosophischen Erkenntnistheorie und der Logik übernehmen können. Dass aber die Wichtigkeit dieses Begriffs in der Philosophie der Neuzeit, die zum Vormärz hinführte, gesehen wurde, ist durch die Tatsache belegt, dass schon damals viele Untersuchungen über den Zufall entwickelt wurden, und zwar genau von denselben Denkern, deren Schriften zur Freiheit die damalige politische Diskussion gestaltet haben (z. B. Kant, Fichte, Schopenhauer Hegel u.a.).
Im Vortrag sollen die Begriffe der Freiheit und des Zufalls im Kontext des Vormärz diskutiert werden. Dabei wird dem Begriff des Zufalls besondere Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere bezüglich der Rolle dieses Begriffs in der Literatur und der politischen Diskussion im Vormärz.
Viviane Meierdreeß studierte von 2013 2016 Literatur- und Sprachwissenschaft an der RWTH Aachen und von 2016 2019 Neuere deutsche Literatur (M.A.) an der FU Berlin; Forschungsinteressen: Identität, Gesellschaft, Nation im 19. Jh., das Werk Heinrich von Kleists, Entwicklung der Frauenliteratur.
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Vortragsthema: „[…] und der Freiheit will ich singen.“ – Politische Lyrik als Mittel der Partizipation für Autorinnen des Vormärz
In der literaturwissenschaftlichen Forschung sind die publizistischen Projekte und die Prosatexte von Autorinnen, deren Schaffenszeit in die des Vormärz fällt, ausführlich untersucht worden. So gibt es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu den Zeitungsprojekten verschiedener Autorinnen. Auch die Revolutions- und sozialkritischen Romane wurden in Forschungsbeiträgen analysiert. Weniger beachtet wurden hingegen die lyrischen Produktionen von Autorinnen im Vor- und Umfeld der europäischen Revolutionen von 1848/1849. In meinem Beitrag sollen die Gedichte der beiden Autorinnen, Louise Otto (Lieder eines deutschen Mädchens, 1847) und Louise Dittmar (Brutus-Michel, 1848; Wühlerische Gedichte eines Wahrhaftigen, 1848), betrachtet werden. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, inwiefern die Autorinnen die politische Lyrik als Mittel der Partizipation innerhalb der Gesellschaft und der historischen Ereignisse wahrnahmen, welche Bedeutung sie der politischen Lyrik für ihre eigene politische und gesellschaftliche Teilhabe beimaßen und ob und inwiefern sie die Geschlechterzuschreibungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts thematisierten beziehungsweise sich kritisch mit dieser auseinandersetzen.
Besonders deutlich wird dies am Werk von Louise Otto, die sich in ihrem Aufsatz „Ueber das erwachende Interesse der Frauen an der Politik“ mit der Bedeutung der politischen Lyrik für das gestiegene politische Interesse der Frauen, inklusive ihr selbst, auseinandersetzt. In Ottos Gedichten erscheint das Singen immer wieder als Möglichkeit, die es Frauen ermöglicht, sich aktiv in den politischen Prozess und in den Kampf für Freiheit und Einheit einzubringen. Die Bedeutung der politischen Lyrik wird bei Otto poetologisch aufgearbeitet und die Geschlechterverhältnisse klar thematisiert. Dittmar konzentriert sich hauptsächlich auf die Diskussion der revolutionären Ereignisse und politischen Umstände und behandelt die Frage der weiblichen Partizipation sekundär, macht Gleichberechtigung jedoch gleichzeitig zur Voraussetzung für wahre Freiheit.
Die Analyse der politischen Lyrik der genannten Autorinnen wirft einen erweiterten Blick auf die politisch engagierte Literatur des Vormärz und kann die Mittel, mit denen Frauen versuchten sich in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und die Partizipationsräume, die sie sich zu schaffen versuchten, beleuchten.
Dr. Ludmila Peters studierte Literaturwissenschaft und Geschichte an der Universität Paderborn und der RGGU (RSHU) in Moskau. Sie ist wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Norbert Otto Eke an der Universität Paderborn und seit 2016 in Redaktion der ZfdPh tätig. Sie promovierte (2018) zu „Religion als diskursive Formation: Zur Darstellung von Religion in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“.
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Vortragthema: Lenaus Die Albigenser und Faust – Narratologische Perspektiven auf das Versepos im Vormärz
In der Fluchtlinie des Vormärz als ‚Experimentierfeld‘ (vgl. Füllner/Füllner 2007) lesen neuere Untersuchungen das Vormärz-Epos unter europäischen Ansätzen (vgl. Füllner/Füllner 2007), und fragen nach nation-building und Erinnerungstheorie (vgl. Krauss/Mohnike 2011) usw. Auch narratologische Zugriffe können das erzählende Moment von Versepen in eine neue Perspektive rücken. Umso mehr, da sich solche Lesarten antiker und mittelalterlicher Epentradition in den letzten 20 Jahren etabliert und ausdifferenziert (vgl. Schmitz, Telg genannt Kortmann/Jöne 2017; Fludernik 2013) haben.
Das Referat setzt an dieser narratologischen Perspektivierung an und macht den analytischen Blick auf Raumdarstellungen und deren Grenzüberschreitungen im Epos zu Gegenstand. Ausgehend von Juri Lotmans Raumkonzept in Erweiterung um seine kulturtheoretischen Überlegungen zur „Semiosphäre“ wird argumentiert, dass die ‚räumlichen‘ Grenzüberschreitungen und -bewegungen in den Epen in heterotopische ‚Zonen‘ münden, die rezeptionsästhetisch Irritationen produzieren.
Katja Holweck studierte Germanistik und Romanistik in Mannheim und Paris. Seit 2016 promoviert sie über das dramatische Œuvre C. D. Grabbes, zunächst gefördert durch ein LGF-Stipendium. Seit Herbst 2018 ist sie Assistentin am Seminar für Deutsche Philologie der Universität Mannheim: Literatur des Vormärz, Roman und Novelle der Jahrtausendwende, Drama und das Theater der Gegenwart.
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Vortragsthema: Kippfiguren. Ambiguität als ästhetische Strategie im dramatischen Werk C. D. Grabbes
Bis in die Gegenwart gilt C. D. Grabbe in der Literaturwissenschaft wie im Theaterbetrieb – gerade im Vergleich zu seinem ‚zugänglicheren‘ Schriftstellerkollegen Georg Büchner – mitunter als ‚sperriger Sonderfall‘. Und doch gehört der vergleichsweise wenig bekannte und gespielte Dramatiker, wie die Grabbe-Forschung bereits in zahlreichen Untersuchungen gezeigt hat, zu den für die Entwicklung des modernen Theaters zentralen Autoren des frühen 19. Jahrhunderts: So bricht Grabbes Dramaturgie über ihr agonal organisiertes Spiel mit den inhaltlichen und formalen Konventionen des Dramas mit der zeitgenössischen Theaterpraxis und rüstet so das Genre für die Moderne auf und um. Sich einer mitunter radikal anmutenden Erneuerung der Bühne der Restaurationszeit verpflichtend, avanciert der Hang zu Normverletzung und Destabilisierung zur Signatur von Grabbes dramatischen Schaffen. Seine ‚Poetik der Irritation‘ erweist sich nicht zuletzt als Produkt des ambiguen Charakters seiner Dramen. So zeigen sich seine Texte mit Kippfiguren bzw. mit Umkehrungsszenarien verschiedener Art durchsetzt.
Deutlich wird eine Affinität zum abrupten Bruch, welcher – so die These – auf einen Moment der Destabilisierung und Befremdung auf Seiten der Rezipienten zielt: In Anbetracht des Brüchigwerdens fester Zuordnungen und des damit einhergehenden Verlusts an Orientierung sieht sich der Leser mit der Herausforderung konfrontiert, sich zum Gezeigten positionieren zu müssen – was durch dessen Ambiguität, durch das Fehlen einer eindeutigen Botschaft zu einem heiklen Unterfangen wird. Grabbes Dramen zeigen sich an zahlreichen Stellen als Vexierbilder, die Momente der Unentscheidbarkeit produzieren und dadurch widerstreitende Lektüren ermöglichen. Besonders deutlich wird dies durch die irritierende Transgression der Gattungsgrenzen, die bereits den Zeitgenossen ins Auge stach und auf die auch die Grabbe-Forschung wiederholt verwiesen hat. Nicht zuletzt sind es die metatheatral angelegten Texte selbst, die jene Transgression explizit verhandeln: „[W]as tragisch ist, ist auch lustig, und umgekehrt. Hab ich doch oft in Tragödien gelacht, und bin in Komödien fast gerührt worden“, lässt Grabbe eine seiner Figur in seinem Hannibal von 1835 konstatieren.
Im Rahmen meines Vortrags soll sich der Erosion der Gattungsgrenzen mit dem Begriff der Ambiguität angenähert werden – eine ästhetische Kategorie, mit der sich die Germanistik gerade in jüngster Zeit intensiv auseinandergesetzt hat. Ambiguität soll als eine für das Grabbe’sche Œuvre charakteristische ästhetische Strategie perspektiviert werden, die insbesondere in Hinblick auf die Dramenschlüsse deutlich hervortritt. So lässt sich beobachten, dass die oben bemerkte ‚Widerständigkeit‘ der Texte besonders in den Schlussvolten eindrücklich hervortritt. Exemplarisch soll aufgezeigt werden, inwiefern an dieser Stelle Tragik und Komik spannungsreich nebeneinanderstehen und dem Leser in der Folge verschiedene Rezeptionshaltungen gegenüber dem Gezeigten angeboten werden – ohne dass die Texte jedoch eine von ihnen widerspruchsfrei ermöglichen. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich Grabbes Dramen als ‚ernste Spiele‘ verstehen, die zwischen Affirmation und Subversion, Ernst und Scherz oszillieren, ohne sich final bestimmen zu lassen und damit auf einen Bruch mit den gängigen Sehgewohnheiten und somit der passiven Rezeptionshaltung des Publikums zielen. Zu fragen wird sein, inwiefern der Dramatiker in den finalen Szenen seiner Werke auf systematische Art und Weise Strategien zur Vermeidung von Eindeutigkeit verfolgt, um nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu erörtern, inwiefern Grabbes ambigue Poetik ästhetische Modi und Problemkonfigurationen vorwegnimmt, die besonders – wie Hans-Thies Lehmanns wirkmächtiger Essay zum Postdramatischen Theater (1999) aufgezeigt hat – für das Theater der Gegenwart von zentraler Bedeutung sind.
Andreas Rizzi ist seit August 2016 Doktorand an der Universität Zürich; Projekttitel: Poetik der Relation – Masse und Individuum im Drama um 1800. Von Oktober 2017-Januar 2019 war er Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds, er war Gastforscher an der FU Berlin und an der Yale University / Department of Germanic Languages and Literatures.
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Vortragsthema: Masse – zu einem Phantasma in Georg Büchners Danton´s Tod
„Ich werde zwar immer meinen Grundsätzen gemäß handeln, habe aber in neuerer Zeit gelernt, daß nur das nothwendige Bedürfniß der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Thorenwerk ist. Sie schreiben, man liest sie nicht; sie schreien, man hört sie nicht; sie handeln, man hilft ihnen nicht. [...] Ihr könnt voraussehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde.“ (Büchner).
Nach dem gescheiterten Juniaufstand in Paris 1832 und dem Frankfurter Wachensturm verdichtet sich Büchners Überzeugung, allein ein in die Breite der Volksmasse getragener Aufstand könne die revolutionäre Umwälzung des Staatsgebildes hin zur nationalen Einheit in Deutschland bewirken. Wie im Brief geäussert, haben die virulenten gesellschaftlichen Entwicklungen jener Jahre bei Büchner ein Umdenken bewirkt; er habe aus ihnen gelernt. Die Poetik Büchners selbst ist im Kontext von Historie und Sujet, schlussendlich vor dem Hintergrund der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen mimetischer Verfahren, nachzuzeichnen; in diesen Briefzeilen steht die Masse als Akteur der Geschichte nicht nur am Anfang einer Revolution, viel eher wird unter dem Vorzeichen einer Poetologie auf Schrift verwiesen.
In den Verhörprotokollen August Beckers, der an der Verteilung des Hessischen Landboten beteiligt war, gibt der Angeklagte unumwunden zu:
„Den Landboten betreffend, so sei es mir erlaubt, den Verfasser desselben, Georg Büchner, in seinen eigenen Worten, deren ich mich noch ziemlich genau erinnere, hier für mich reden zu lassen [...] Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art ausgeführt werden, so kann und darf das bloß durch die große Masse des Volkes geschehen, durch deren Ueberzahl und Gewicht die Soldaten gleichsam erdrückt werden müssen. Es handelt sich also darum, diese große Masse zu gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugschriften geschehen kann.“ (Eugenia-Protokolle).
Anhand der Figurenrede Camilles (selbst ein Dantonist) im 1. Akt, 1. Szene des Danton zeichnet der Beitrag zunächst die textweltliche Auseinandersetzung mit dem Komplex „Masse“ auf narrativer und konfiguraler Ebene nach, wobei auf die Körperrhetorik („Leib des Volkes“ etc.) fokussiert wird. Dies ist Grundlage für die weitergefasste Kontextualisierung, die im Kern das folgende Argument enthält: Mit der beinahe wörtlichen Übernahme Winckelmanns zeigt sich das Volk – die Masse also – in Camilles Figurenrede mittels verbaler Nachahmung als Abklatsch eines antiken Ideals und scheitert dem Diskurs des Vormärz gemäss und dem Winckelmann´schen Idealismus gleich an seiner phantasmagorischen Verfasstheit. Camilles Vorstellungen sind in ihrer Rhetorik rückwärtsgewandt codiert im doppelten Sinn, woraus sich die eigentümliche Metafiktion dieser Passage ergibt: Nicht nur referiert er mit seiner Allegorie auf ein vergangenes (klassizistisches) Ideal, sondern verweist auf ein über dieses Vergangene dargestelltes und potenziertes Vor-Vergangenes und somit für die gegenwärtige Situation, in der alles nach Zukunft strebt, Irrelevantes; auf die reine Idee, aus der sich die Republik entfalten soll. Er erscheint in der Ästhetik des Vormärz selbst als überholte Figur. Der Beitrag schliesst mit der Darlegung poetologischer Verstrickungen (Schriftlichkeit – Historie) mit Büchners in den Briefen geäusserten Auffassungen zur Masse.
ReferentInnen und LeiterInnen des 9. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2018 (v.l.n.r.): Paul Keckeis, Michael Ansel, Isabel Golenia, Jonas Skell, Bernd Fuellner, Sarah Heckmann, Wolfgang Lukas, Stefanie Braun, Antonia Villinger, Cyril de Beun, Anne-Rose Meyer.
TeilnehmerInnen des 9. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2018 (v.l.n.r.): Katharina Grabbe, Olaf Briese, Paul Keckeis, Jonas Skell, Isabel Golenia, Michael Ansel, Philipp Erbentraut, Bernd Fuellner, Sarah Heckmann, Wolfgang Lukas, Stefanie Braun, Cyril de Beun, Antonia Villinger, Florian Vaßen, Anne-Rose Meyer, Gerhard Höhn, Norbert Waszek, Frank Stückemann und Birgit Bublies-Godau.
Dr. Cyril de Beun (1991) ist Postdoc an der Universität Leuven. 2017 Promotion mit einer Dissertation zum Thema „Schriftstellerreden 1880-1938: Intellektuelle, Interdiskurse, Institutionen, Medien“. Er arbeitet derzeit an einem Projekt über den Paradigmenwechsel von Rhetorik zu Interdiskursivität und ihre Rezeption in der deutschen Literatur nach 1800. Forschungsschwerpunkte: deutsche Literatur von 1800 bis 1950, Interdiskurstheorie- und analyse, Rhetorik, Medien- und Kulturwissenschaft.
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Vortragsthema: „Von Rhetorik zu Interdiskursivität: Rezeption eines kulturellen Paradigmenwechsels durch Autoren des Vormärz“
Vor 1800 spielte die Rhetorik in der kulturellen Kommunikation eine zentrale Rolle. Sie fungierte nicht nur als pädagogisches Modell, sondern auch als Denksystem, das bei der Formulierung von Ideen nahezu eine Monopolfunktion besaß. Nach 1800 änderte sich ihre gesellschaftliche Stellung aber wesentlich. Es war nicht einfach die Rhetorikkritik, die schon in der Aufklärung von Kant geübt worden war, die diesem Wandel zugrunde lag. Auf einer fundamentalen gesellschaftlichen Ebene änderten sich, so die These dieses Referats, die diskursiven Bedingungen kultureller Kommunikation. Der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer rasanten Zunahme spezialisierter Teilbereiche und dementsprechender Spezialdiskurse führen würde, entsprang auch eine Gegentendenz, die darin bestand, dass Spezialdiskurse zu Interdiskursen zusammengeschlossen wurden. Diese Reintegrierungen ermöglichten temporäre Kopplungen zwischen getrennten gesellschaftlichen Teilbereichen. Vor allem die Literatur kennzeichnet sich durch interdiskursive Materialien, da Autoren, so behauptet etwa Jürgen Link, besondere Fähigkeiten bei der Auswahl und Kombination von spezialisiertem Wissen vorzuweisen haben. Wegen seiner Flexibilität konnte sich das interdiskursive System, das sich in der Praxis durch eine Sammlung nicht-systematischer Prozedere auswirkte, als Paradigma besser den sich wandelnden kommunikativen Voraussetzungen einer ausdifferenzierenden Gesellschaft anpassen, als es die Rhetorik konnte. Dabei nahm das interdiskursive System nach 1800 sogar die Rhetorik auf, die ihre paradigmatische Stellung inzwischen verloren hatte.
Dieses Referat zeigt die literarische Rezeption dieses Wandels im Vormärz. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Autoren des Jungen Deutschland, wobei aufgeklärt werden sollte, wie sich die interdiskursive Sprache ihrer Schriften zur dort geäußerten Religionskritik und zu ihrer Ablehnung des Absolutismus verhielt. Die Rhetorik hatte ihre paradigmatische Position als Denksystem gerade im Zeitalter vor 1800, unter der Herrschaft von Kirche und Monarchie, entwickelt. Im Vormärz geriet sie dann auch als religiös und monarchisch dominiertes System in die Kritik. Dass die Schriften des Jungen Deutschland immerhin rhetorische Mittel enthielten, wie Gert Ueding und Bernd Steinbrink in ihrem Grundriß der Rhetorik behaupten, stimmt, aber sie unterlagen dem dominanten interdiskursiven Idiom dieser Schriften. Das sollte in diesem Referat unter anderem mittels einer Analyse der Schriften von Theodor Mundt nachgewiesen werden.
Doktorandin an der Universität Toulouse II - Jean Jaurès, und Mitglied der Forschungsgruppe CREG; Titel der Dissertation: „Luise Mühlbachs Romandiskurs über deutsch-französische Beziehungen: populäre Historiografie und wissenschaftliche Modernität in Deutschland um 1850“; Studium: Agrégation d’allemand (2011), Master Recherche LLCE Etudes Germaniques et slaves, Bachelor in Germanistik, Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte; Forschungsthemen : L. Mühlbachs literarisches Werk (mit Schwerpunkt auf den historischen Romane nach 1848), Darstellung der deutsch-französischen Beziehungen in den historischen Romanen um 1850, politische nationale Mythenbildung im 19. Jahrhundert, Entwicklung des weiblichen Bürgersinns, kulturelle Interaktion zwischen Frankreich und Deutschland um 1850.
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Vortragsthema: „Kontinuitäten zwischen Vormärz und Nachmärz in L. Mühlbachs Werk am Beispiel der Kritik an der Konvenienzehe und der Darstellung der jüdischen Frage in den historischen Romanen der 1850er Jahre“
Ziel dieses Beitrags ist, das in der Forschung verbreitete Argument zu differenzieren, wonach L. Mühlbach (Clara Mundt) ab 1850 die sozialen Themen ihres Frühwerks der 1840er Jahren vernachlässigt hätte, um in die Gattung des historischen Romans zu flüchten und konservativere Ansichten zu vertreten. Es wird versucht, die Idee eines Bruches im Werke unseres Autors zu überwinden. Demzufolge wird die Beibehaltung mancher Themen betont, wie z.B. die Frage der weiblichen Emanzipation und die Kritik am religiösen Dogmatismus.
Das Thema der Liebesbeziehung außerhalb des Ehebundes und die Kritik an der gesellschaftlichen Heuchelei wurden schon von L. Mühlbach in ihrem sozialkritischen Frühwerk behandelt, als sie von den Saint-Simonistischen Ideen beeinflusst war. Die Kritik an der Konvenienzehe wird jedoch in L. Mühlbachs Werken wiederholt thematisiert, so auch in ihren Romanen nach 1850, wie in den untersuchten Werken Königin Hortense ( 1856), Napoleon in Deutschland (1858) und Kaiserin Josephine (1861). Diese Kritik nimmt verschiedene Formen an und betrifft alle sozialen Schichten, siehe die Darstellung der Königin Hortense, die Opfer einer arrangierten und unglücklichen Ehe mit Louis Bonaparte wird, oder die Gestalt der Fanny Arnstein in Napoleon in Deutschland, die gezwungen wird einen unbekannten Mann zu heiraten, um dem Willen ihres Vaters zu gehorchen, da jener geschäftliche Verbindungen mit der Familie Arnstein sucht.
Parallelen können ebenfalls zwischen L. Mühlbachs Werk vor und nach 1848 gezogen werden, indem die Problematik der weiblichen Emanzipation mit dem Thema der jüdischen Emanzipation assoziiert wird. Zuvor hatte L. Mühlbach dieses Thema im Roman Des Leben Heiland (1840) angeschnitten, wo sie die Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem Christen in Krakau geschildert hatte, und schon die Problematik der Konversion zum Christentum und des Verzichts auf die jüdische Kultur und Identität in Hinblick auf Ehe und soziale Integration behandelt hatte. Dies zeigt sich z.B. in Napoleon in Deutschland wo beschrieben wird, wie die Jüdin Marianne Meier von einer Menschenmenge beschimpft wird, die arrangierte Ehen ohne Liebe befürwortet und gleichzeitig Marianne – die einer anderen Religion angehört als ihr Geliebter – vorwirft, eine Liebesbeziehung außerhalb des Ehebundes zu führen. Dementsprechend inszeniert L. Mühlbach die Biographie der bekannten Salonière Marianne Meyer Eybenberg (1770-1812), und betont somit, dass sie zum Christentum übertreten musste, um den Mann heiraten zu können, den sie liebte, und um sich in die preußische und Wiener Gesellschaft integrieren zu können.
Anders als F. Lewalds Heldin Jenny bereut die Figur der Marianne Meier ihren Übertritt zur christlichen Religion nicht, jedoch ist ihr Verhältnis zur Religion trotzdem ambivalent, da sie sich zur Aufgabe macht für die jüdische Sache zu kämpfen, und Fanny Arnstein darum bittet, sich mit ihr zu verbinden, um Judentum und Judaismus zu verbreiten, und sich in der höheren Gesellschaft für die jüdische Kultur einzusetzen. Die Darstellung des deutschen und des preußischen Patriotismus bei den jüdischen Gestalten in Napoleon in Deutschland wird ebenfalls untersucht, v.a. weil bei L. Mühlbach jener deutscher Patriotismus mit der jüdischen Identität vereinbar scheint, wodurch der Vergleich mit Moses Mendelssohns Ideen nahe liegend ist. Es wird in den untersuchten Werken gezeigt, inwiefern die Autorin durch die Darstellung eines deutschen Patriotismus, der zur Überwindung der religiösen Unterschiede führt, zur Problematik der Bildung eines gemeinsamen deutsch-nationalen Imaginären beiträgt. Im weiteren Sinne wird im diesem Referat ebenfalls L. Mühlbachs ambivalenter Bezug zur Religion untersucht. In ihrem sozialkritischen Frühwerk macht sich der Einfluss einesspinozistischen Pantheismus bemerkbar und die Autorin bezeichnet sich in ihrer späten Korrespondenz noch als Heidin. Jedoch war sie in den 1840er Jahren der oppositionellen religiösen Bewegung Protestantische Freunde (Lichtfreunde) gegenüber positiv eingestellt und befürwortete das Erstarken eines theologischen Rationalismus innerhalb der protestantischen Kirche. Die Kritik am Dogmatismus und am religiösen Obskurantismus findet sich in L. Mühlbachs Werk immer wieder, wie z.B. im Vorwort des Romans Des Leben Heiland (1840), im dem sie sich gegen Fanatismus und religiöse Orthodoxie äußert, und erklärt, was sie unter wahrer Religion versteht : „die wahre Religion [beruht] nicht in Gebetsweise und Cultusform […], sondern in Gesinnung und That.“
Seit 2017 Doktorandin (Université Lumière Lyon 2) « Valeur et fonction du silence dans la littérature allemande entre l'Aufklärung et le romantisme : approche théorique et mise en scène littéraire »; seit 2016 Deutschlehrerin (Studienrätin, Agrégation) in der Pariser Region; Lehramtsmaster (Université Lyon 2, Université Grenoble Alpes); Forschungsmaster Germanistik (Lyon 2), B.A. Französische und Deutsche Philologie (Freie Universität Berlin).
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Vortragsthema: „Die Ästhetischen Feldzüge von Ludolf Wienbarg und die Tradition – Genese einer jungdeutschen Ästhetik“
Unter Feldzügen versteht man allgemein strategisch geplante, militärische Operationen zum Erreichen eines Kriegsziels. Es scheint, als müssten die 24 Vorlesungen der Ästhetische(n) Feldzüge (1834), in Anbetracht der bewussten Titelwahl Ludolf Wienbargs (1802-1872) , als Kriegserklärung gelesen werden. Mit der prägnanten und offensiven Initialaussage „Dir, junges Deutschland, widme ich diese Reden, nicht dem alten“ richtet sich die Ästhetik vorerst gegen unbestimmt definiert „Altes“ und wird bei Wienbarg zum Ausgangspunkt für die Etablierung neuer Formen spezifisch deutscher Kunstbetrachtung unter dem Emblem des literarischen Jungen Deutschland. Die Bewegung des Jungen Deutschland vertritt keine einheitlich geschlossene Position in literarischen Belangen, sodass sich ihr Zusammenhalt eher aus äußeren Bedingungen, wie dem Publikationsverbot 1835, ergibt. Wienbarg wird durch seinen programmatisch theoretischen Ansatz und seine scharf formulierten Forderungen für eine Ästhetik der „neuen Generation“ eine gewisse, jedoch offen diskutierte Bedeutung und Tragweite zugeschrieben. Es steht zur Debatte, inwiefern Wienbarg als „Taufpate“ der Jungdeutschen Bewegung gelten kann und welche Rolle dabei den Ästhetischen Feldzügen zugeschrieben wird. Seine „wichtige Position als Theoretiker“ gilt als bestätigt und erlaubt es, die Ästhetische[n] Feldzüge als Referenz für Ansätze in der Theoriebildung des Jungen Deutschland kritisch hinterfragend anzuführen.
Jahrgang 1988; studierte von 2007-2014 an der BUW Anglistik, Geschichts- und Erziehungswissenschaft im komb. B.A. und M.Ed., den sie mit der Masterthesis zum Thema „Friedrich von Gentz und die politische Öffentlichkeit“ abschloss (Fach Geschichte, Förderpreis für Abschlussarbeiten der FABU 2014). Nach dem Studienreferendariat (2014-2015) nahm sie die Arbeit in der Winzig Stiftung in Wuppertal auf, die Familien und begleitende Fachkräfte in der sensiblen Phase der Geburt und frühen Kindheit unterstützt (2015-2017 Assistentin des Vorstands, seit 2018 Projektentwicklung). Zeitgleich und nebenberuflich begann sie ihre Promotion im Fach Geschichte (Fachbereich A, Neuere und Neueste Geschichte, Betreuer PD Dr. Arne Karsten). Zwischen März 2016 und April 2018 dankbare Stipendiatin der Graduiertenförderung der BUW, arbeitet sie im Rahmen ihrer Dissertation an einer Biographie des sächs. Publizisten Heinrich Wuttke (1818-1876).
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Vortragsthema: „‚Polenfresser‘ Heinrich Wuttke – antipolnischer Nationalismus und Germanisierungsprojekte 1846-48“
Deutscher Nationalismus im Vormärz wird in der Geschichtswissenschaft zuweilen als bürgerlich-liberale Emanzipationsbewegung verstanden. Ihr integratives Potential im Kampf gegen die einzelnen deutschen Regierungen, und sogar eine internationale Integrationskraft – der Traum vom „harmonische[n] Konzert der Nationalstaaten“ – werden dabei als seine Charakteristika hervorgehoben.
Ein anderes Gesicht des vormärzlichen Nationalismus zeigt indes das publizistische und politische Engagement des sächsischen Oppositionellen Heinrich Wuttke (1818-1876). Es führt uns eine nationalistische Ideologie vor Augen, die sich vor allem durch Abgrenzung und Aggression gegen andere ‚Nationen‘ auszeichnete. Politisch instrumentalisiert wurde dieses radikalnationale Konstrukt mit Hilfe der gängigen bürgerlichen Strategien - Assoziation in Vereinen, persönliche und Vereinsnetzwerke, presseöffentliche Propaganda
Als beispielhaft für diesen radikalen Nationalismus des späten Vormärz stellt der Beitrag das publizistische und vereinspolitische Engagement des in Leipzig wirkenden Schriftstellers und Geschichtsprofessors Heinrich Wuttke vor. Im ersten Teil des Beitrags wird Wuttkes antipolnische, nationalistische Artikelserie „Polen und Deutsche“ (1846, Augsburger Allgemeine Zeitung) als geistige und agitatorische Grundlage in den wesentlichen Zügen skizziert. Der zweite Teil stellt Wuttkes Initiative zum Verein zur Wahrung der deutschen Sache an den östlichen Grenzen (1848), dessen Vereins- und Propagandapraxis, sowie sein beachtliches Netzwerk in den Fokus. Der gewählte mikrohistorische Zugang macht deutlich: Obgleich Wuttke sich von politischen Gegnern die Kritik als „Polenfresser“ gefallen lassen musste, stieß erstens diese Ausprägung nationalistischer Ideologie auf beträchtliche gesellschaftliche Resonanz und schlug sich zweitens im Revolutionsjahr 1848 in einer bürgerlich-nationalistischen Schutzvereinsbewegung nieder.
Studium der Germanistik und Geschichte in Wien, Cambridge, Zürich und Salzburg; 2011-2013 Junior Fellow des IFK (Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien); 2016 Promotion mit einer Arbeit zu den Gattungen bei Robert Walser (erscheint 09/18 im Wallstein Verlag, Göttingen); Habilitationsprojekt zu Voraussetzungen und Transformationen deutschsprachiger Lyrik, 1830-1860.
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Vortragthema: „Zur Kulturanthropologie der deutschsprachigen Lyrik. 1830-1860“
Die sozialhistorische Bedeutung der lyrischen Praxis des Vor- und Nachmärz steht außer Frage, ihr ästhetischer Wert dagegen wird zumeist als gering veranschlagt. Während sich die Germanistik bevorzugt Gedichten zuwendet, die besondere Herausforderungen an die Interpretation stellen, wurde vereinzelt eingewendet, dass die Lyrik nur deshalb zu einem zentralen Medium der bürgerlichen Vergesellschaftung werden konnte, weil sie ihre pragmatische Funktion akzentuierte. Die ästhetische Strategie, die einem Großteil der lyrischen Produktion dieser Zeit zugrunde liegt, besteht gerade darin, nicht originell zu sein. Während die Literaturwissenschaft diese Eigenschaft zumeist als qualitativen Mangel der Gedichte beschreibt und ihnen dies nur angesichts ihrer politischen Wirkungsintentionen nachsieht, wird am Beispiel Heines und des österreichischen Lyrikers Ferdinand Sauter gezeigt, dass die Lyrik des 19. Jahrhunderts, wofern sie versucht, die überindividualistischen lyrischen Sprechweisen des vorbürgerlichen Zeitalters gegen die mit der Romantik initiierte ›Transfusion des Kollektiven ins Individuelle‹ (Adorno) präsent zu halten, in einem bewussten Spannungsverhältnis zu jenem ‚individualistischen‘ Lyrikbegriff steht, der in den Literaturwissenschaften kanonisiert wurde.
Studium der Volkswirtschaftslehre in Mannheim und Mailand (2011-2014). Im Anschluss: Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin mit den Forschungsinteressen „Dorfgeschichte(n)“ sowie „Literatur und Ethnologie“.
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Vortragsthema: „Von Bürgerbauern und Proletariern. Narrative der Transformation in der Dorfgeschichte des Vormärz“
Der Vortrag widmet sich einem Vergleich zwischen der frühen Dorfgeschichte Befehlerles (1842) von Berthold Auerbach und Carl Arnold Schloenbachs kaum beachteten Das Deutsche Bauernbuch (1848). Die beiden Autoren decken zwei komplementäre Ausprägungen der politischen Dorfgeschichte im Vormärz ab und wurden einander bereits von Uwe Baur in seiner Monographie Dorfgeschichte gegenübergestellt. Leitend ist die Frage nach Zukunftsentwürfen, die beide Texte in einer Phase tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche entwickeln.
Ausgehend von der Annahme, dass die Gattung der Dorfgeschichte im Vormärz als sozial engagierte Novellistik entstand und den Bauern erstmals als aktiv handelnden Akteur in einem veränderbar erscheinenden Geschichtsprozess entwirft (Baur), diskutiert der Vortrag zunächst, auf welche Weise Transformationen der dörflichen Lebenswelt sowohl Erzählanlass als auch Gegenstand der Dorfgeschichte sind (Neumann u. Twellmann). Während Befehlerles vor dem Hintergrund der Verwaltungsexpansion in Württemberg für die kommunale Selbstverwaltung eintritt, übt Das Deutsche Bauernbuch angesichts des Pauperismus Sozialkritik an den prekären Lebensbedingungen der Landbevölkerung: eine Kritik, die sich als Anklage gegen die Obrigkeit, die Kirche, den Staat oder allgemeiner das wirtschaftliche und politische System konkretisiert. Als notwendige Voraussetzung der politischen Positionierung figuriert sowohl bei Auerbach als auch bei Schloenbach der Anspruch, mit ihren Dorfgeschichten über empirische Wirklichkeit aufzuklären. Beide Texte wählen dabei je unterschiedliche narrative Verfahren der Beglaubigung.
Im Vortrag werde ich zeigen, dass in diesen Verfahren jeweils ein Modell politischen Wandels eingelagert ist. Auerbachs ‚Sprache der Nähe’ verweist, aufbauend auf eine im Dorf noch gegenwärtige Vergangenheit, idealistisch auf eine harmonische Zukunft, die durch das vorbildhafte Verhalten der ‚germanisierten‘ Dorfbewohner (Hahl) erreichbar scheint. Schloenbachs Eskalationsnarrative hingegen lassen den Figuren keinen Handlungsspielraum. Die Verzweiflungstat, in die fast alle Erzählungen des Deutschen Bauernbuchs münden, wird von Schloenbachs ‚Prosa der Plausibilität’ als alternativlos charakterisiert und fungiert als Drohung des zynischen Erzählers gegenüber dem impliziten Publikum. Im Vortrag wird die Offenheit, welche die Dorfgeschichte als Diskurs über mögliche Zukunftsmodelle des ländlichen Raums im Vormärz auszeichnet, ersichtlich werden.
2010 bis 2016 Studium der Germanistik, Kathoischen Theologie und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln und Karls-Universität Prag. 2016/2017 Tätigkeit als Teaching Assistant und paralleles Masterstudium an der Washington University in St. Louis, Missouri, USA. Seit August 2018 Doktorandin an der Universität Mannheim gefördert durch ein Stipendium der Landesgraduiertenförderung, Promotion zur „Verflechtung von Recht, Religion und Geschlecht in den Dramen Friedrich Hebbels“; ebenso seit August 2018 Wissenschaftliche Hilfskraft am Internationalen Kolleg Morphomata an der Universität zu Köln.
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Vortragsthema: „‚so würde sichs finden, ob das Gesetzbuch ein Loch hat‘ – Zur Verhandlung von Rechtsdiskursen in Friedrich Hebbels Drama Maria Magdalena (1844)“
„Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ – die das Drama abschließenden Worte Meister Antons aus Friedrich Hebbels 1844 erschienenem Bürgerlichen Trauerspiel Maria Magdalena beklagen eine Gesellschaftskonstellation, in welcher Chaos und Unrecht maßgeblich regieren. Der Text führt in drei Akten die Geschichte rund um die unehelich schwanger gewordene Tischlertochter Klara aus. Die Handlungsabfolge ist in eine Reihe von Rechtsfällen eingebettet, – wie ein vermeintlicher Juwelendiebstahl durch Karl, die Vergewaltigung Klaras oder ein Duell – welche sowohl die Entscheidungen der Figuren im Trauerspiel selber als auch die Personenkonstellation strukturieren. Die unrechtmäßige Festnahme Karls zum einen und die gerade nicht erfolgte Ermittlung gegen Leonhard – aufgrund der Vergewaltigung seiner Verlobten Klara – zum anderen rücken die Unzuverlässigkeit des inszenierten Rechtsystems in den Fokus.
Der Vortrag arbeitet heraus, wie im Drama die skizzierte Unzuverlässigkeit der juristischen Instanzen dargestellt wird und welche Deutungspotenziale sich daraus für die Personenkonfiguration ergeben. Von zentralem Interesse ist hierbei die textuelle Präsentation eines bürgerlichen Gesellschaftssystems, in welchem unrechtmäßiges Handeln mit Männlichkeit auf der einen und Gerechtigkeit mit Weiblichkeit auf der anderen Seite verknüpft wird. Diese Dichotomie manifestiert sich in der textlichen Reinszenierung des korrupten Kleist’schen Dorfrichter Adams aus Der zerbrochne Krug. Darüberhinaus verweisen die im Trauerspiel dargestellten Rechtsfälle, bei welchen die weiblichen Figuren der männlichen Handlungsdominanz zum Opfer fallen, auf diese Dualität zurück. Stirbt durch den Suizid Klaras am Ende des Dramas die einzige im Trauerspiel agierende humane Figur? Wie thematisiert die dramatische Handlung die gesellschaftliche Anerkennung von herrschendem Recht zwischen dessen tatsächlicher Funktionalität und der Tatsache, dass es geltende gesellschaftliche Konventionen – wie Geschlecht – abbildet und fortführt? Kann die textlich dargestellte Dichotomie von Recht und Unrecht auch als Kritik an einem Rechtsbegriff interpretiert werden, der Recht als etwas Neutrales setzt? Klingt in dem Trauerspiel bereits die politische Situation des Nachmärz an?
TeilnehmerInnen des 8. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2017 (v.l.n.r.): Amélie Richeux, Ali Zein (RU Bochum), Laura Nippel, Amélie Lelay (HU Berlin), Kathrin Wittler (FU Berlin), Michael Ansel, Bernd Füllner (BU Wuppertal), Melina A. Munz (Univ. Freiburg), Sophia Victoria Krebs, Anne-Rose Meyer (BU Wuppertal).
M.A., Studium der Germanistik, Philosophie und Editions- und Dokumentwissenschaft in Düsseldorf, Marburg und Wuppertal. Dissertation zu Briefsemiotik.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
»Misère, dein Name ist H. H.« Heines Name(n) als paratextuelles Element
Mit der Zeile „[...] Misère, dein Name ist H. H.“ (HSA 23, 1739. HH an Elise Krinitz, 23.1.1856) schloss der kranke Heine seinen Brief an die Mouche vom 23. Januar 1856, wenige Wochen vor seinem Tod. Heine hatte viele Namen: Harry Heine, Christian Johann Heinrich Heine, Henri Heiné – unter dem Namen Heinrich Heine erlangte der Schriftsteller Popularität. Exemplarisch für Heines Informationstaktik und seinen Umgang mit persönlichen Daten soll in diesem Vortrag sein Vexierspiel mit seinen Vornamen, Anagrammen, Traduktionymen anhand von Werken und persönlichen Zeugnissen in Hinblick auf seinen Werkbegriff analysiert werden. Es werden die Dimensionen dieses Spiels mit paratextuellen Elementen mit Fokus auf die persönliche, literarische und ökonomische Bedeutung der Namen unter Berücksichtigung der Onomastik ergründet und der Einfluss des sog. „Preußischen Judenedikts von 1812“ sowie des Diskurses um die speziell jüdische Namensvergabe im Vormärz untersucht.
Geboren 1988. 2006-2009: Classe préparatoire aux Grandes Ecoles (hypokhâgne und khâgne) und Bachelor in Germanistik in Metz (Frankreich). Master im Fach Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin.
Derzeit Promotion an der Humboldt Universität Berlin über Heinrich Heine, Théophile Gautier und Gérard de Nerval.
Forschungsinteresse : Literatur und Geschichte des 19. Jahrhunderts (insbesondere Deutschlands und Frankreichs) , Kulturtransferts, Übersetzungstheorie, Poetik, Ästhetik.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Théophile Gautier und Gérard de Nerval: eine orientierte Heine-Rezeption?
Heinrich Heine emigrierte 1831 nach Paris und die französische Presse setzte sich auch bald mit dem Dichter auseinander. Die Dichter Théophile Gautier und Gérard de Nerval, die Heines Freunde wurden, präsentierten dem französischen Publikum eine lückenhafte Darstellung Heines, die eine ganz neue Heine-Lektüre in Frankreich prägte und verbreitete. Sie erwähnten die politische Seite des Dichters kaum, und stellten ihn eher als typisch deutschen, romantischen, an Problemen des Alltags uninteressierten Künstler dar. Dies war weniger die Konsequenz eines Missverständnisses als eines Willens, eine ausländische Persönlichkeit zu benutzen um ihre eigenen ästhetischen Ansichten zu legitimieren.
Seit Februar 2017 Doktorandin am SFB 1015 "Muße. Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken." Teilprojekt G4 "Muße im indischen Gegenwartsroman" an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Oktober 2014 - Juni 2016 Master English Literatures and Cultures an der Eberhard Karls Universität Tübingen
2012/2013 Auslandsjahr an der University of Reading, UK
Oktober 2009 - Oktober 2016 Studium Englisch, Germanistik und Geschichtswissenschaft auf Lehramt an der Eberhard Karls Universität Tübingen
Forschungsinteressen: Postkoloniale englischsprachige Literatur und Theorie; indische Literatur; englische und deutsche Romantik
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Die Macht der Worte? Politische Dichtung und Aktion bei Lord Byron und Heinrich Heine
Sowohl der englische Lord und notorische Dandy Byron als auch der eher bürgerliche Heinrich Heine attackierten wiederholt verfahrene Strukturen in Politik und Gesellschaft. Während Heines Position in der Dichtung des Vormärz unumstritten scheint, ist der Vergleich mit dem zeitlich vorangegangenen Byron trotzdem aufschlussreich: Zum einen ist dessen Dichtung durch ähnliche soziale Probleme und Fragen politischer Unabhängigkeit charakterisiert und reagiert unmittelbar auf die vergangene französische Revolution und die europäische Restauration. Zum anderen ringen trotz der genannten Unterschiede beide mit ähnlichen Problemen der Dichterrolle: Sie kommentieren in ihrer politischen Dichtung das Verhältnis zwischen bloßen Worten und tatsächlicher Auswirkung auf die politische Situation. Mein Vortrag war an der These orientiert, dass Byron in Don Juan und Heine in Deutschland. Ein Wintermärchen einerseits ein Manifest für die Wirksamkeit der Worte, also der Macht politischen Schreibens, formuliert haben, andererseits die Zweifel an dieser Wirksamkeit nie aufgegeben haben. In ihrer Dichtung finden sie eine Form und damit teilweise Lösung für diese Problematik in der ironischen und satirischen Darstellungsweise.
Humboldt-Universität zu Berlin
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Parlamentarische Öffentlichkeit im Vormärz
Die parlamentarische Entwicklung der deutschen Staaten im Vormärz entwickelte sich im Spannungsfeld zwischen liberaler Bewegung und den Karlsbader Beschlüssen, die in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich rigide umgesetzt wurden. Besonders deutlich treten diese Unterschiede in einem Vergleich der den frühparlamentarischen Versammlungen zugestandenen Öffentlichkeit in den beiden Einzelstaaten Baden und Preußen zutage. Zwar konnten sich die preußischen Landtage schrittweise aus ihrer Isolation befreien, doch blieben sie hinter der Öffentlichkeit der badischen Zweiten Kammer zurück. Der Grad der Publizität und die politischen Spielräume der Parlamente bedingten einander wechselseitig. Der Kampf um Öffentlichkeit war auch ein Kampf um Einfluss und Legitimität zwischen Parlament und monarchischer Obrigkeit.
Jg. 1982; Studium der Romanistik (Französisch und Spanisch); seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum im Forschungsprojekt »Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland« (gefördert von der Fritz Thyssen-Stiftung). Promotionsprojekt über die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich mit der Arbeit »Construction narrative et transmissions de savoirs anthropologiques dans les Causes célèbres de la France du XIXe siècle« (Arbeitstitel)
Jg. 1988; Studium der Komparatistik und Germanistik; seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum; Promotionsprojekt über die Auseinandersetzung der Kriminalfallsammlung Der neue Pitaval mit der Schwurgerichtsdebatte im Rahmen des Forschungsprojekt »Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland«.
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Abstract des gemeinsamen Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland. Genre – Korpora – Programmatiken
Der gemeinsame Vortrag skizzierte vergleichend die französische und deutsche Causes-célèbres-Literatur des 19. Jahrhundert.
Das nicht-fiktionale, rechtsbegleitende kriminalliterarische Genre der ‘causes célèbres’, das im 18. Jahrhundert in Frankreich entsteht, ist sowohl in der Aufklärungszeit als auch im 19. Jahrhundert sehr erfolgreich. Die Analyse der Sammlungen aus dem post-revolutionären Zeitalter zeigt, dass die verschiedenen Programmatiken des Genres von den sozio-politischen und juridischen Umbrüchen und Entwicklungen – von der französischen Revolution bis zur dritten Republik – geprägt sind. Ebenfalls wird deutlich, dass die écriture der ‘causes’ von der Expansion der Presse und insbesondere von der juristischen Presse stark beeinflusst ist, so dass das Genre zu Beginn des 20. Jahrhunderts langsam ausstirbt.
Auf deutscher Seite wurde Der neue Pitaval (60 Bde., hg. Julius Eduard Hitzig, Willibald Alexis, Anton Vollert, Leipzig: Brockhaus 1842–1890) vorgestellt. Es wurden die Programmgeschichte und Alexis’ kriminalliterarische Poetik – besonders bezüglich der Schwurgerichtsdebatte und internationalen Kompiliationspraxis skizziert. Alexis kompiliert schwerpunkt-mäßig englische, französische und deutsche Fälle, um einen impliziten Systemvergleich zwischen dem monarchistisch begriffenen Inquisitionsverfahren und liberal-bürgerlich aufgeladenen Schwurgericht am Beispiel von Justizirrtumsfällen durchzuführen. Er verschiebt die Ursachen von der jeweiligen Verhandlungsform zu psychologischen, politischen und sozialen Konfliktfaktoren und bringt die juristische Reformdiskussion als moralische, soziale und politische Debatte mit dem Ziel einer Verteidigung des Schwurgerichts in die Öffentlichkeit.
Kathrin Wittler hat ihre Dissertation Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte (1750-1850), die von Prof. Dr. Andrea Polaschegg und Prof. Dr. Ernst Osterkamp betreut wurde, Ende 2016 am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin verteidigt. Seit März 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post-Doc) am Lehrstuhl von Prof. Dr. Michael Gamper am Peter-Szondi-Institut für AVL der Freien Universität Berlin. Zu ihren Forschungsinteressen zählen die deutsche und deutsche jüdische Literaturgeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert, Bibel und Literatur, Orientalismus, Buchgeschichte und die literarische Produktivität von Einsamkeit.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 29. April 2017 auf dem 8. Forum Junge Vormärz Forschung
Joel Jacoby (1811-1863). Eine Skandalfigur des Vormärz
Joel Jacoby (1811-1863) erregte in den 1830er Jahren mit einem doppelten Seitenwechsel Aufsehen. Er wechselte vom liberalen Lager in den Dienst der Polizei und konvertierte vom Judentum zum katholischen Glauben. Seinen politischen und religiösen Gesinnungswandel machte er in Zeitungserklärungen, in Streitschriften und in mehreren Gedichtbänden zu einer öffentlichen Angelegenheit. Obwohl er mit zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten des literarischen und politischen Lebens Kontakt hatte und an diversen Konflikten maßgeblich beteiligt war, kursieren bis heute nur wenige und fehlerhafte Informationen über die Eckdaten seines Wirkens. Um hier Abhilfe zu schaffen und Jacobys Rollen im literarischen Leben der 1830er bis 1850er Jahre zu erschließen, bereite ich auf der Basis neu erschlossenen (Archiv-)Materials eine fundierte werkbiographische und literatursoziologische Studie vor. Der Vortrag zeigte an ausgewählten Beispielkonstellationen auf, inwiefern sich an den heftigen Reaktionen auf Jacoby gleichsam seismographisch die Konflikte des literarischen Lebens im Vor- und Nachmärz ablesen lassen.
TeilnehmerInnen des 7. Forums Junge Vormärz Forschung, April 2016 (v.l.n.r.): Prof. Wolfgang Lukas (Univ. Wuppertal); Tim Weber, MA (Univ. Mainz); Dr. Philipp Erbentraut (Univ. Frankfurt a.M.); Christoph Valentin, MA (Univ. Münster); Maria Jacob, MA (Univ. des Saarlandes); Dr. Bernd Füllner (Univ. Wuppertal); Giuseppina Cimmino, MA (Univ. Florenz/ Bonn); PD Dr. Anne-Rose Meyer (Univ. Wuppertal); Jun.Prof. Dr. Katharina Schneider (Univ. Paderborn)
2004-2011: Studium der deutschen und englischen Philologie, der Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Università degli Studi di Napoli „L'Orientale“. Von Februar 2012 bis Juli 2016 Stipendiatin im Rahmen des internationalen Promotionskollegs „Germanistica Firenze-Bonn“ (Università degli Studi di Firenze, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), derzeit Beendigung der Promotion an der Universität Bonn. Forschungsinteressen: Poetik, Rhetorik, Ästhetik; Erzähltheorie; Literatur des 19. Jahrhunderts.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Tendenzermittlung und Historisierung. Die zeitdiagnostische Literaturkritik Laubes und Gutzkows
Am Beispiel Laubes Moderner Charakteristiken (1835) und Gutzkows Vergangenheit und Gegenwart (1830-1838) (1839) lassen sich im Gegenwartsdiskurs, der im Vormärz besondere Konjunktur gewinnt, semiotische Leitoperationen und dementsprechende Gegenwartskonzepte bestimmen: als solche gelten die Verfahren der ,Tendenzermittlung‘ und der ,Historisierung‘, die auf entgegengesetzten Gegenwartskonzepten basieren, indem jeweils auf Progression und Zyklik hinweisen. Mit dezidiert struktural-analytischer Herangehensweise kann man feststellen, dass diese Verfahren mittels der formalen und argumentativen Strategien des „Zäsur-Setzens“ (Historisierung), der „Charakteristik“ als Mittel der Zusammenhangsherstellung (Tendenzermittlung) und des Bezugs auf die Zukunft (Historisierung) in den Texten aktualisiert werden. Aus diesen Überlegungen kann man die Konsequenz ziehen, dass die diskursive Auseinandersetzung mit ‚Gegenwart‘ an die Rückbindung an eine wie auch immer geartete Kausalität nicht verzichten kann.
Power-Point-Präsentation zum Vortrag (als PDF-Datei)
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Skizze des Dissertationsprojekts:
Gegenwartskonzepte in der Publizistik und in der philosophischen Ästhetik (1830-1848) (als PDF-Datei)
Geboren 1982; Studium der Politik und Geschichte; 2015 Promotion; seit 2015 Akademischer Rat für Politische Soziologie und Staatstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Mythos Anti-Parteien-Affekt
Warum deutsche Vormärz-Intellektuelle in Wirklichkeit vom Segen der politischen Parteien schwärmten
Gab es tatsächlich einen generellen Anti-Parteien-Affekt im deutschen politischen Denken des 19. Jahrhunderts? Philipp Erbentraut argumentiert gegen diesen Mythos und zeigt, dass es im Gegenteil bereits im Vormärz (1815–1848) eine positive und elaborierte Theorie und Soziologie der politischen Parteien gegeben hat, der ein modernes Parteienverständnis zugrunde lag. Er hinterfragt, inwiefern diese Positionen avanciertes politikwissenschaftliches Denken vorwegnahmen und sogar heutige Ansätze der Parteienforschung befruchten könnten. Aktuelle Krisensymptome der Parteiendemokratie wie Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit oder Mitgliederschwund führt er auf ihre erstmalige theoretische Durchdringung vor beinahe 200 Jahren zurück. Durch die Auswertung von mehr als 250 staatsphilosophischen Quellen kann er belegen, dass quer durch alle politischen Lager dabei freundliche, offen parteienbefürwortende Stellungnahmen überwiegen.
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Pressemitteilung:
Theorie und Soziologie der politischen Parteien im deutschen Vormärz 1815–1848 (als PDF-Datei)
Forschungsschwerpunkte: Historische Bildungsforschung (Konzeptionen politischer Bildung im 19. Jahrhundert; Geschichte des Pädagogikunterrichts, seines Curriculums und seiner Didaktik; Methoden historischer Bildungsforschung), Unterrichtsforschung (Modellierung und Messung kasuistischer Kompetenz im Pädagogikunterricht; Fachdidaktische Modelle und Methoden)
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Publikationen in Auswahl (als PDF-Datei)
Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Polemik und Feindbildkonstruktion
Die Berichterstattung des Münchener Nuntius Michele Viale Prelà über die Deutschkatholiken 1844/45
Im Vormärz begann die Ultramontanisierung des deutschen Katholizismus. Dieser durch Homogenisierung und romorientierte Zentralisierung gekennzeichnete Prozess wurde maßgeblich von den Apostolischen Nuntien, den Vertretern des Heiligen Stuhles in Deutschland, vorangetrieben. Ihre Berichte bildeten die Grundlage für das Vorgehen der Kurie. Beispielhaft hierfür steht Michele Viale Prelà, der zwischen 1838 und 1845 Nuntius in München war. Seine Berichte über die Deutschkatholiken geben kein differenziertes Bild der Entwicklung dieser ersten modernen Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche, sondern schildern sie als eine Sammlungsbewegung von schlechten Katholiken, Protestanten und Kommunisten, die das Ziel verfolge, Thron und Altar zu stürzen. Die Berichte Viale Prelàs stehen dabei paradigmatisch für die kurial-ultramontane Feindbildkonstruktion und tragen maßgeblich zum Verständnis der kurialen Deutschlandpolitik bei.
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Skizze des Dissertationsprojekts:
Die päpstliche Diplomatie und der Aufstieg des Ultramontanismus. Der Apostolische Nuntius Michele Viale Prelà in München (1838-1845) (als PDF-Datei)
Interdisziplinäre Dissertation über Georg Büchner und die Volkskunde; Forschungsinteressen: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft, Editonsphililogie, Erinnerung und Gedächtnis, Erzählkultur und Medialität, Geschichte und Methoden der Germanistik und der Volkskunde.
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Abstract des Vortrags, gehalten am 9. April 2016 auf dem 7. Forum Junge Vormärz Forschung
Kinderfolklore im Woyzeck
Kinder als Dramenfiguren sind in den Woyzeck-Manuskripten eher die Ausnahme. In den ersten beiden Entwurfshandschriften sind sie nicht als Charaktere individualisiert; die Kinderkultur ist Ausdruck einer narrativ konstituierten Volkskultur als Lachkultur (Michail Bachtin), sinn- und identitätsstiftend. Der Herodes-Ringelreihen und das Anti-Märchen der Großmutter sind paradigmatisch für jenen Habitus, der religiöse und gesellschaftliche Institutionen verlacht, indem ein geistlicher Weltentwurf radikal anthropologisiert wird. Mit den Sepulkraltraditionen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit greifen Reim und Märchen eine Ikonographie des Leiblichen auf, die sich in den Bilderwelten der Volkskultur religionskritisch und sozialkritisch als immanente Lebenswirklichkeit materialisiert. In der Sprache des Volkes erzählt Georg Büchner in seinem Woyzeck auf diese Weise eine zweite Wahrheit über die Welt.